Europa
"Völkisch, biologistisch, rassistisch"
Ein österreichischer NPD-Aussteiger über das Wesen der Partei - "Würde es begrüßen, wenn sie von der Bildfläche verschwindet"
Wien - "Politisch und von meiner persönlichen Grundhaltung
würde ich es begrüßen, wenn die Nationaldemokratische Partei
Deutschlands (NPD) von der Bildfläche verschwindet." Dass Christian
R. das sagt, ist nicht selbstverständlich: Schließlich war der
Oberösterreicher bis März 2000 selbst Mitglied der vom Verbot
bedrohten NPD und schrieb für deren Monatszeitung, die "Deutsche
Stimme" (DS).Strukturen
Im Gespräch mit der APA gab der Aussteiger einen Überblick über
die Strukturen, Inhalte und internationalen Verbindungen dieser
Partei. Immer wieder fielen dabei die Begriffe "völkisch",
"biologistisch" und "rassistisch". Aussagen wesentlicher Proponenten
der NPD, darunter etwa auch des Steirers Herbert S., sollten laut
Christian R. für "die Annahme einer aktiv-kämpferischen Haltung gegen
die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausreichen" - und damit
für ein Verbot der NPD, so dies die deutschen Verfassungsrichter auch
für verhältnismäßig ansehen.
Von Deckert nach rechts geführt
Für Christian R. war die NPD unter ihrem Vorsitzenden Martin
Mußgnug eine "normale nationalkonservative Partei", die 1989 mit
einem Bündnis für die Europawahlen mit der Deutschen Volksunion (DVU)
von Gerhard Frey scheiterte. Neben den damals dominierenden
Republikanern und der DVU sei kein Platz mehr gewesen. Günther
Deckert habe die Partei dann nach rechts geführt, "in den neuen
Bundesländern versuchte er, Kontakt zu den Glatzenszenen zu
bekommen". Udo Voigt wurde 1996 Vorsitzender der NPD, "der ist der
absolute Machtpolitiker", so Christian R.
Weitere Radikalisierung durch RAF-Gründer
Einen weiteren Radikalisierungsschub sah der Oberösterreicher in
der Mitgliedschaft Horst Mahlers. Das Gründungsmitglied der Roten
Armee Fraktion (RAF) ist mittlerweile nach ganz rechts gedriftet. Er
ist als Rechtsanwalt maßgeblich an der Vertretung der NPD im
Verbotsverfahren beteiligt und gilt als Hoffnungsträger. "Wie Horst
Mahler gekommen ist, hat es sich überhaupt in den Irrsinn
entwickelt", meinte Christian R.
Intellektuelle Rechtfertigung für Schlägertruppen
Laut dem Oberösterreicher versuchen Mahler und seine Mitstreiter -
Reinhold O., Uwe M. oder der frühere "Aula"-Autor Jürgen S. - mittels
des Deutschen Kollegs (DK), ideologische Linie in die NPD zu bringen.
"In diesem Bereich spielt sich die intellektuelle Rechtfertigung
dessen ab, was letztendlich die Schläger auf der Straße vollziehen",
so Christian R. Beispiele dafür seien das 100-Tage-Programm für eine
Notstandsregierung oder S., der jenen 100 Tage zeit zur Ausreise
geben wolle, die nicht über drei Generationen hinweg rein deutscher
Abstammung seien. Im Falle einer Weigerung wolle S. das "exekutiv
durchsetzen, wenn nötig mit Standrecht".
Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten
(JN), habe Kontakte zu rechten Gruppierungen im angelsächsischen
Raum. Laut Christian R. trat etwa bei einem JN-Kongress der
US-Amerikaner William Pierce, Führer der National Alliance (NA) und
Autor der so genannten Turner Diaries, auf. Es gilt als
wahrscheinlich, dass dieses Buch Timothy McVeigh, Haupttäter des
Anschlags auf das Bundesgebäude von Oklahoma City, als Anleitung
diente. Pierce redete laut R. über "Solidarität der weißen Rasse".
Ein weiterer Proponent, der sich seiner guten Kontakte ins Ausland
rühme, sei Jürgen D., ehemals Chefredakteur des NPD-Organs "Deutsche
Stimme". Diese Verbindungen betreffen in erster Linie die Blood and
Honour-Gruppe (eine neonazistische, von Großbritannien ausgehende und
gewalttätige Skinhead-Gruppierung, Anm.).
"Türken Feindbild Nummer eins"
Bei all den internationalen Kontakten schließt R. allerdings aus,
dass sich die türkischen rechtsextremen "Grauen Wölfe" darunter
befinden. "Die Türken sind für die NPD das Feindbild Nummer eins."
Aus dem selben Grund seien auch allfällige Kontakte zu Islamisten nur
vorgeschoben, das einzige Motiv dafür sei das antisemitische. "Sie
können sicher sein: Wenn in Deutschland eine Moschee eröffnet wird,
steht die NPD als erste davor, um dagegen zu demonstrieren."
Für Christian R. gibt es viele Gründe, die für ein NPD-Verbot
sprechen: "Das Gute an einem Verbot wäre, dass damit der
gewaltbereiten und neonazistischen Szene doch ein einigendes Dach
verloren gehen würde und die Infrastruktur gestört würde." Das Verbot
sei aber nicht zuletzt durch die V-Mann-Affäre "in eminenter Gefahr",
so R. "Wenn das scheitert, dann wird man diese Partei auf 15, 20
Jahre nicht mehr loskriegen. Dann werden sie noch radikaler und
widerwärtiger agitieren als bisher." (APA)