Oslo- Einhellig als Sensation hat die norwegische
Fachwelt den überraschenden Fund von 4.000 persönlichen Briefen,
Geschäftskorrespondenzen und handschriftlichen Manuskripten aus dem
Nachlass des Nobelpreisträgers Knut Hamsun (1859-1952) eingestuft.
Während sich das offizielle Oslo mit dem 50. Todestag des
weltberühmten Schriftstellers am 19. Februar wegen Hamsuns Sympathien
für Hitler und die deutschen Nationalsozialisten sichtlich schwer
tat, herrscht an der Nationalbibliothek ungeteilte Begeisterung - über den Fund zumindest.
Dort steht Wissenschaftern nach dem Ankauf des Privatarchivs von
den Hamsun-Enkeln für eine Million Kronen (129.241 Euro)
völlig neues Quellenmaterial zum Verständnis dieses von zahlreichen
berühmten Kollegen von Thomas Mann bis Paul Auster als genial
eingestuften, aber weithin auch als Nazi verachteten Literaten zur
Verfügung.
Erfolgreiches Stöbern
Im vergangenen Herbst war der Hamsun-Biograf Ingar Sletten Kolloen
beim Stöbern auf dem Dachboden des einstigen Hamsun-Wohnsitzes Nrholm
an der südnorwegischen Küste plötzlich auf 14 Pappkästen gestoßen,
deren Inhalt nicht nur ihn erst mal sprachlos machte. Sie enthielten
4.000 Briefe an Hamsun und dessen Ehefrau Marie (davon etliche
ungeöffnet), 1.000 Geschäftsdokumente, 500 Briefe innerhalb der
Hamsun-Familie, 3.000 Manuskriptseiten der ebenfalls
schriftstellerisch tätigen Marie Hamsun und von Knut Hamsun selbst
neben literarischen Fragmenten die komplette Endfassung von "Auf
überwachsenen Pfaden".
Dieses letzte Buch Hamsuns entstand 1948, ehe dem seit Kriegsende
total verfemten Nobelpreisträger der Prozess wegen Landesverrats
gemacht wurde. Im Alter von 89 Jahren setzte sich Hamsun hier mit
seinen Verfolgern auf literarisch beeindruckende, politisch aber
völlig uneinsichtige Weise auseinander. Kein Wort des Bedauerns etwa
über den Nachruf auf Hitler vom 6. Mai 1945, in dem Hamsun den
deutschen Massenmörder als "reformatorische Gestalt von höchstem
Rang" einstufte, vor der man sich nur verneigen könne. Eine neue
Übersetzung von "Auf überwachsenen Pfaden" ins Deutsche hat der
List-Verlag München als Teil seiner Hamsun-Werkausgabe mit bisher
fünf Titeln zum 50. Todestag des Skandinaviers herausgebracht.
Knut Hamsun
und die Beatles
Ehrungen aus diesem Anlass blieben in der Heimat des wieder viel
gelesenen Autors Mangelware. Norwegens derzeit erfolgreichster
Schriftsteller Lars Saabye Christensen musste ins benachbarte
Dänemark reisen, um im Einverständnis mit der Stadt Kopenhagen eine
Gedenkplakette vor dem Haus zu enthüllen, in dem Hamsun 1896
bettelarm seinen Roman "Hunger" geschrieben hatte. 1920 bekam er den
Literatur-Nobelpreis für "Segen der Erde" und kaufte für das danach
hereinströmende Geld den Gutshof Nrholm zwischen Grimsdal und
Lillesand, wo jetzt das Privatarchiv gefunden wurde. Christensen, der
für seinen Roman "Halvbroren" ("Der Halbbruder") in diesem Jahr den
Nordischen Literaturpreis bekommen hat, nannte in Kopenhagen zwei
Namen, die ihn kulturell geprägt hätten wie nichts sonst: Knut Hamsun
und die Beatles.
(APA/dpa)