YLine-Pleitier Werner Böhm lässt in seinem Buch "Sklaven der Gier" den Internet-Hype Revue passieren - Die eigene Rolle spart er jedoch aus
Redaktion
,
Wien - Der Börsen-Crash des April 2000 hat private Anleger
weltweit viele Milliarden Dollar gekostet, während gleichzeitig
Investmentbanken und Profianleger, die jahrelang prächtig an der
Börseneuphorie verdient haben, rechtzeitig ihre Schäfchen ins
Trockene gebracht haben. Zu diesem wenig überraschenden Fazit gelangt
ein soeben erschienenes Buch des YLine-Gründers Werner Böhm, der sich
damit nach der Pleite seines Softwarehauses im Herbst vergangenen
Jahres in der Öffentlichkeit zurück meldet. Von den vielfach
erwarteten konkreten Enthüllungen über die Hintergründe der
drittgrößten österreichischen New Economy-Pleite findet sich in Böhms
Buch "Sklaven der Gier. Börsenmanipulation zwischen New Economy und
Osama bin Laden" jedoch nichts.
"Gesteuerte Ereignisse"
Stattdessen rekapituliert Böhm die internationale Entwicklung der
so genannten New Economy in den Jahren 1995 bis April 2000, als am
14. April die Kurse der teilweise grotesk überbewerteten Aktien in
sich zusammenzubrechen begannen. Beim Aufbau der Spekulationsblase
sowie beim zwangsweise folgenden Crash habe es sich "um keine
zufälligen Ergebnisse des Kapitalmarkts", sondern um "angestoßene und
gesteuerte Ereignisse" gehandelt. Dies sei freilich nicht unbedingt
eine Weltverschwörung, sondern "Bestandteil und Grundlage unseres
kapitalistischen Wirtschaftssystems und daher meist legal", meint der
Autor.
"Böse Investmentbanker"
Jenseits der banalen Aussage, dass "die Großen und Informierten"
aus Krisen profitieren, während "die Kleinen und Uninformierten"
dabei ihr letztes Hemd verlieren, hat das Buch als leicht lesbare
Zusammenfassung des New Economy-Hypes der vergangenen Jahre durchaus
seine Meriten. Auch findet sich der eine oder andere selbstkritische
Anklang, etwa wenn Böhm einräumt, die New Economy-Unternehmer hätten
zu sehr auf Wachstum und zu wenig auf nachhaltiges Wirtschaften und
Gewinn geschaut. Die eigentliche "Schurkenrollen" in der globalen
"Umverteilungsaktion" des Börsen-Crashs besetzt der Autor aber mit
Investmentbankern, Analysten und Medien, die seiner Meinung nach
zuerst den Hype künstlich entfacht und danach konzertiert beendet
hätten.
Eigene Pleite ausgespart
Wie sehr Kleinaktionär unter den kritisierten Machenschaften der
Börsianer leiden, dafür war die YLine-Pleite, die Böhm mit keinem
Wort erwähnt, übrigens ein schlagender Beweis. Wer zum Höchstkurs von
283 Euro bei YLine eingestiegen ist und nicht mehr rechtzeitig wieder
rauskam, konnte damit auch ganz "auf Österreichisch" sein Vermögen
verlieren. Der letzte Kurs, bevor die YLine-Aktie für immer von der
Börse verschwand, lag bei 0,88 Euro. (APA)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.