Kosovo
Opfer serbischer Angriffe belastet Milosevic
Zeugen berichten über Zerstörung eines kosovo-albanischen Dorfes durch serbische Truppen
Den Haag - Ein albanischer Bauer aus dem Kosovo hat den
ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal belastet. Die serbische Armee habe sein
Dorf Landovice im März 1999 angegriffen, die Einwohner misshandelt
und die Moschee zerstört, sagte Halil Morina am Montag als Zeuge vor
dem Tribunal in Den Haag. Soldaten hätten eine gelähmte Frau bei
lebendigem Leibe verbrannt. Die Leichen ihrer zahlreichen Opfer
hätten die Soldaten abtransportiert, anschließend hätten sie die
Moschee gesprengt. Das Dorf sei fast vollständig zerstört worden. Er
selbst sei mit seiner Frau und seinen Kindern in ein Nachbardorf
geflohen, berichtete Morina. Dort hätten ihnen freundlich gesonnene
Serben bei der Flucht nach Albanien geholfen. Morina ist das dritte Opfer, das als Zeuge vor dem UNO-Gericht
ausgesagt hat. Der wegen Völkermords und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit im Kosovo, Bosnien und Kroatien angeklagte Milosevic,
der sich in dem Prozess selbst vertritt und daher auch die Zeugen
befragen kann, stritt die Vorwürfe ab. Die Zerstörungen seien durch
die NATO erfolgt, verteidigte er sich. Sie habe die Umgebung des
Dorfes bombardiert. Außerdem hätten sich in Landovice Kämpfer der
Kosovo-Befreiungsarmee UCK aufgehalten.
Bericht über Massager in Suva Reka
Über ein Massaker serbischer Polizisten, dem 40 bis 50 Albaner aus
der Kleinstadt Suva Reka zum Opfer gefallen sein sollen, berichtete
danach ein 39 Jahre alter Gynäkologe. Vor seinen Augen waren seiner
Darstellung nach zwei Neffen und Mitglieder ihrer Familien von
uniformierten Polizisten erschossen und ausgeplündert worden. Die
Polizisten hätten auch die Häuser in Brand gesetzt.
"Sie taten das so routiniert, dass man annehmen musste, es sei
ihre tägliche Arbeit. Sie wussten genau, wo sie die Leichen liegen
lassen musste, damit sie von den brennenden Trümmern des Hauses
verkohlt wurden", schilderte Agron Berisha. Wer nicht sofort
erschossen worden sei, sei in eine nahe gelegene Pizzeria getrieben
worden. Dort hätten Polizisten mit automatischen Waffen und
Handgranaten die Menschen ermordet.
Der Zeuge überlebte, weil er serbisch sprechen konnte. Er hatte in
Belgrad studiert. Als Polizisten an seinem Haus auftauchten und er
erwartete, dass ihn das selbe Schicksal erwartet wie seine Neffen,
sprach er die Uniformierten serbisch an. Daraufhin verlangten sie nur
Geld von ihm und rieten ihm, schleunigst mit seiner Familie zu
fliehen. Mit elf Menschen, darunter ein sechs Monate alter Sohn, floh
er erst nach Prizren. Der Weg zur Grenze nach Albanien sei voll
gestopft mit fliehenden Menschen gewesen, schilderte er. "Es war wie
ein Golgatha, ein Strom von Menschen, der das Kosovo verließ", sagte
er. An der Grenze habe die Polizei ihnen alle Dokumente weggenommen,
die auf ihre einstigen Bürgerrechte im Kosovo hinweisen konnten.
Todesangst nach dem Erleben des Massakers und Sorge, dass er als
Flüchtling in Prizren Angehörige in Schwierigkeiten bringen könnte,
waren nach seinen Worten Motiv für die Flucht nach Albanien. Angst
vor den NATO-Bombenangriffen habe keine Rolle gespielt. "Nein, die
NATO-Angriffe waren für uns eine Hoffnung, die Freiheit für das
Kosovo bringen könnte", antwortete der Albaner. Nach dem Krieg kehrte
er wieder nach Suva Reka zurück.(APA)