Brüssel - Im EU-Reformkonvent werden zahlreiche politische Schwergewichte sitzen, vor allem auf Seiten der Regierungsvertreter. Dies hat denn auch schon Befürchtungen im Europa-Parlament ausgelöst, dass die Regierungen versuchen könnten, die Abgeordneten trotz ihrer numerischen Überzahl an die Wand zu drücken. Der Konvent sollte ja eine neue und "demokratischere" Arbeitsweise zur Vorbereitung der nächsten Reformschritte einführen. Man wollte mit der bisherigen bürgerfernen Praxis brechen, alle EU-Vertragsrevisionen hinter verschlossenen Türen von den Regierungen der Mitgliedstaaten aushandeln zu lassen. Wie stark die "Regierungsseite" in dem 105-köpfigen Gremium vertreten sein wird, zeigt allein schon die Zahl ehemaliger und amtierender Regierungschefs und Minister, nämlich insgesamt 41. Der dreiköpfige Vorsitz setzt sich aus dem früheren französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing sowie zwei Ex-Ministerpräsidenten, dem Belgier Jean-Luc Dehaene und dem Italiener Giuliano Amato zusammen. Dazu kommen eine Anzahl amtierende Minister, wie der belgische Außenminister Louis Michel, der italienische Vize-Premier Giancarlo Fini, der französische Europa-Minister Pierre Moscovici und der britische Arbeitsminister Peter Hain. Österreich schickt mit Johannes Farnleitner als Vertreter von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ebenfalls einen früheren Minister ins Rennen. Als früherer Wirtschaftsminister bringt er EU-Insiderwissen mit, das er sich vor allem während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft 1998 angeeignet hat, auch wenn Farnleitner kein ausgewiesener Verfassungsexperte ist, wie bei der ÖVP eingeräumt wird. Unter den prominenten Namen auf Seiten der Regierungsvertreter finden sich der frühere italienische Außenminister Lamberto Dini, der frühere luxemburgische Premier Jacques Santer und der frühere niederländische Vize-Premier Hans van Mierlo. Aber auch die Kandidatenländer, die ein beschränktes Stimmrecht bei der Aushandlung der Reformen erhalten sollen, wollten nicht nachstehen. Sie entsenden immerhin neun amtierende Minister und Staatssekretäre, wie den tschechischen Außenminister Jan Kavan und seinen ungarischen Amtskollegen Janos Martonyi oder den slowakischen Chefunterhändler Jan Figel, und zwölf ehemalige Minister nach Brüssel. Damit sitzen immerhin 41 amtierende und frühere Regierungschefs und Minister im Konvent. Für die EU-Kommission verhandeln der für die EU-Reformen zuständige französische Ex-Minister Michel Barnier und der Portugiese Antonio Vitorino (Justiz und Inneres). Ehemalige Regierungsmitglieder finden sich nicht nur auf der Seite der Regierungsvertreter, sondern auch unter den insgesamt 76 Abgeordneten aus dem Europaparlament, den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer. Der frühere französische Europaminister Alain Lamassoure oder Ex-Verkehrsminister Caspa Einem (S) gehören etwa dazu. Der österreichische Europaparlamentarier Johannes Voggenhuber wird stellvertretend für sämtliche Grünen im EU- und den nationalen Parlamenten am Verhandlungstisch sitzen, der deutsche Europa-Abgeordnete Elmar Brok von der Europäischen Volkspartei wird die Konservativen anführen. Insgesamt sieben Europa-Skeptiker orten EU-Kommissionskreise unter den nationalen Volksvertretern. Dazu wird Reinhard Bösch als Vertreter der FPÖ gerechnet, obwohl er in Brüssel als "unbeschriebenes Blatt" gilt. Nur drei Akademiker bzw. Diplomaten werden unter der Etikette "unabhängig" eingeordnet. Nur 15 Prozent der Konventsmitglieder sind Frauen. Doch das könnte sich noch ändern, weil nicht alle Vertreter bisher ernannt sind. Auch die sechs in diesem Jahr anstehenden nationalen Wahlen, darunter in Frankreich und Deutschland, könnten noch zu Änderungen bei der Besetzung führen, heißt es in Brüssel.(APA)