New York - Die "New York Times" nannte Susan Sontag einmal Amerikas "Hohepriesterin der Avantgarde". Über die USA hinaus gilt die 69-jährige Autorin als eine der führenden Intellektuellen unserer Zeit, als analytische Denkerin und kritische Stimme. Ihr Kommentar zur Haltung der amerikanischen Regierung auf die Terroranschläge vom 11. September brachte ihr sogar den Vorwurf des "Landesverrats" ein. Um die Angst von Menschen in bewaffneten Konflikten verstehen zu können, lebte die Schriftstellerin während des Bosnienkriegs drei Jahre lang in Sarajewo. Am liebsten aber schreibt Susan Sontag Romane, wie sie in einem dpa-Gespräch in New York bekannte. "Romane sind wie das richtige Leben", meint die Autorin, die mit vielen hohen Auszeichnungen bedacht wurde. "Ein Essay muss auf einen Punkt kommen. Damit unterdrückt es einen Teil der Wahrheit. Im Grunde ist es ein künstliches Gebilde", urteilt Sontag. Wenn sie einen Essay schreibe und es später noch einmal lese, nagten immer Zweifel an ihr: "Aber..., außerdem..., und überhaupt". Ein Roman dagegen erlaube, ein Thema von allen Seiten zu beleuchten und die widersprüchlichen Ansichten von verschiedenen Personen vertreten zu lassen. Geheimer Traum Wie die Hauptfigur in ihrem jüngsten Roman "In Amerika" hat auch Susan Sontag einen geheimen Traum. Ihre Heldin, die polnische Schauspielerin Maryna Zalezowska, tauscht das Rampenlicht gegen das simple Leben in einer landwirtschaftlichen Kommune ein. Auch Sontag hat eigenen Angaben zufolge seit Kindesbeinen den Wunsch, in die Rolle einer humanitären Helferin zu schlüpfen. "Alles aufgeben, an der Basis dienen, Menschen mit Aids in Afrika versorgen, in der Notaufnahme Verbände anlegen" - das wären ihre Wünsche. Während ihrer Zeit in Bosnien sei sie der Erfüllung dieses Traums bisher am nächsten gekommen. Aber auch mit ihren Büchern will sie Beiträge für die Allgemeinheit leisten. "Gute Romane wecken Verständnis für andere Menschen und machen uns mitfühlender, zarter, toleranter", sagt die Autorin. (APA)