Wien - "Es gibt ja so viele gute Musiker, die nicht gehört werden! Ich lebe nicht in der Überzeugung, ich sei der einzige. Mein Ausgangspunkt ist ein urmenschlicher. Ich möchte beseelt musizieren und den Leuten zeigen, dass es mehr gibt als den schnellsten Gambenspieler der Welt. Wenn mich jemand fragt, wieso ich nicht Bach spiele, frage ich: ,Wieso kaufen Sie sich nicht ein Schnitzel, das man 1750 paniert hat?'" Um deftige Sager war Karl Wilhelm Krbavac noch nie verlegen, und auch in diesem spürt man bei aller Selbstironie doch eine gediegene Portion Wut im Bauch. Zu bunt, zu vielseitig, zu verrückt schienen oft die Aktivitäten des 51-Jährigen, als dass er in der Wiener Musikszene anders als ein kompromisslos eigenbrötelnder Paradiesvogel wahr genommen worden wäre. Satt wurde Krbavac davon nicht. Und ließ sich von der ihm entgegenschlagenden Ablehnung in seinen Visionen dennoch nicht abbringen: dem Vergangenheitsboom in der Klassik wie auch im Jazz die ereignishafte Jetztzeitigkeit seiner Bühnenaktionen entgegenzuhalten - mit allen Stärken und Schwächen. "Ich verstecke mich nicht hinter Bach. Nicht hinter Mozart, hinter Miles Davis", so Krbavac. "Es geht mir um nichts anderes, als dem Publikum bewusst zu machen, dass es lebt! Und zwar jetzt! Wenn jemand sagt, meine Musik gefällt ihm nicht, ist das okay. Ich bin kein professioneller Entmündiger." Dabei ist jene auch an der Not geschulte Einstellung Krbavac' noch das relativ konventionellste, betrachtet man seine Vita und sein ganz und gar nicht zeitgenössisches Hauptinstrument, die Viola da Gamba. Der 1982 verstorbene Josef-Matthias-Hauer-Schüler Victor Sokolowski, dessen Unterricht Krbavac noch heute als "Sonnenaufgang" bezeichnet, war Ende der 70er-Jahre dafür verantwortlich, dass er seine Karriere als Bluesbassist, als der er auch mit der Original Muddy Waters Band durch die Lande zog, beendete und zum entlegenen Renaissance-Chordophon konvertierte. Aus "Small Blues Charlie" wurde Karl Wilhelm Krbavac, aus dem umtriebigen Faktotum, das u. a. auch bei der Gründung des Vienna Art Orchestra 1977 seine Saiten im Spiel hatte, ein überzeugter Anhänger der Zwöftonspiel-Lehre Hauers. Wichtiger als die folgende Gründung des Zwölftonspiel-Ensembles Wien war 1985 die des Solo-Orchesters, sprich: der Beginn einer Zusammenschau all seiner Interessen, die alsbald durch die Mitgliedschaft bei Reform Art Unit erweitert wurden. Mit orchestralen Ausmaßen: Zu seinem Instrumentarium E-Gitarre, E-Bass, Viola da Gamba und Klavier traten 1989 Computerzuspielungen aus vorkomponiertem Material zwischen Klassik, Jazz, HipHop und Techno-Inspiriertem. Heute beginnt die Porträtreihe im RadioKulturhaus - stellt sich für den lange Verschmähten nun also doch so etwas wie Erfolg ein? "Was ist Erfolg? Wenn ich bis 2015 ausgebucht bin? Der Musiker ist jetzt, er entscheidet jetzt. Das geht gut, oder es geht nicht gut. Das brauche ich!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 2. 2002)