EU
Italien im EU-Justizministerrat erneut isoliert
Streit um Befugnisse der geplanten europäischen Staatsanwaltschaft
Brüssel - Nach dem Streit um den europäischen Haftbefehl
riskiert Italien, sich auch bei den EU-Beratungen über die
Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft zu isolieren. Im
Vorfeld einer Tagung der EU-Innen- und Justizminister am Donnerstag
in Brüssel, bei der ein erster Meinungsaustausch zu dem Projekt
vorgesehen ist, sagten EU-Diplomaten, Rom habe gefordert, dass die
Sicherstellung von Vermögenswerten im Zuge der Ermittlungen der
europäischen Staatsanwaltschaft verweigert werden könne, falls sie
"Staatsinteressen" oder große Unternehmen gefährde. Die übrigen
EU-Staaten lehnten einen so vagen Verweigerungsgrund ab, hieß es in
Brüssel. Die europäische Staatsanwaltschaft soll zwar selbstständig EU-weit
agieren können, aber vorerst nur wenn es um den "Schutz der
finanziellen Interessen der EU" geht. Sie soll ermächtigt werden,
gegen Subventionsbetrug, Ausschreibungsbetrug, Korruption oder
Missbrauch mit Geldern aus dem EU-Haushalt vorzugehen. Der
europäische Staatsanwalt soll im Verlauf der Ermittlungen auch
Anklage in den einzelnen Mitgliedstaaten erheben, sowie
Konfiskationen und Durchsuchungen anordnen können. Dabei kann er sich
auf die Hilfe der nationalen Behörden stützen und Zeugeneinvernahmen
durch die nationalen Gerichte durchführen lassen.
Wie schon beim europäischen Haftbefehl soll auch hier eine
Vereinheitlichung der Straftatbestände in den Mitgliedstaaten etwa zu
Geldwäsche, Betrug oder Verletzung des Dienstgeheimnisses die
Grundlage für das Tätigwerden des europäischen Staatsanwalts bilden.
In einer zweiten Phase könnte die beschränkte Zuständigkeit der
EU-Staatsanwaltschaft auch auf die übrigen Bereiche ausgedehnt
werden. Voraussetzung ist, dass Europol bis dahin voll einsatzfähig
ist.
Transnationaler Rechtsstaat
Bei der Sicherstellung von Vermögenswerten soll die
Staatsanwaltschaft rasch vorgehen können. Dabei gilt der Grundsatz
der gegenseitigen Anerkennung der nationalen Rechtsordnungen. So
könnte der Staatsanwalt Beschlagnahmungen in Belgien vornehmen, die
in Deutschland sofort anerkannt werden. Dies wird als Teil der
internationalen Bekämpfung des Terrorismus angesehen, zu der sich die
EU nach den Anschlägen vom 11. September verpflichtet hat. Die
Sicherstellungen können innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Spezielle
Schutzvorschriften sollen nur für die Berufsgruppen Ärzte,
Rechtsanwälte und Journalisten gelten.
Italien werde seinen Vorbehalt zu diesem Punkt schwer
aufrechterhalten können, hieß es vor dem Treffen in Brüssel.
Möglicherweise werde man sich auf einen Kompromiss in Form einer
Ratserklärung verständigen, wonach alle Mitgliedstaaten an den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden seien. Italien hatte
bereits vor kurzem die EU-Partner mit seiner Forderung irritiert, den
europäischen Haftbefehl nur für fünf oder sechs Straftatbestände
zuzulassen. Die EU-Partner hatten dagegen eine Liste von 32
Straftaten vereinbart. Rom musste nachgeben, erhielt aber eine
Übergangsfrist zugestanden. (APA)