Inland
Dohnal: "Mit Charme erreicht man nichts"
Birgit Fenderl, ZiB-3 Moderatorin, hat ein Buch über "30erinnen" geschrieben und diskutiert mit der Ex-Frauenministerin Johanna Dohnal über Frauen, Politik und Feminismus
Wien - Standard:
Bob Dylan, Gerd Bacher werden von den Frauen
im Buch als Vorbilder genannt.
Sie kaum. Hätten Sie mehr
Dankbarkeit erwartet?
Dohnal
: Na, zweimal komme
ich vor, doppelt so oft wie die
Waltraud Klasnic - Politiker
wissen so etwas. Wir können
nicht erwarten, dass junge
Menschen in Dankbarkeit für
Vorheriges zerfließen.
Fenderl
: Ein bisserl mehr
Dankbarkeit würde uns ganz
gut tun. Für viele Frauen ist
Gleichberechtigung selbstverständlich - bis sie arbeiten.
Eine Freundin ist etwa bei Sitzungen die einzige Frau und
hört: Fräulein, mitschreiben.
Dennoch ernten wir, was die
vorige Generation erstritt.
Dohnal
: Alle Frauen, die heute
in politischer oder wirtschaftlicher Verantwortung sind,
sind keine Feministinnen,
obwohl sie vom Feminismus
profitierten. Dennoch werde
ich nicht aufhören, diese
Frauen zu ermutigen, und mache nicht Halt vor Frauen, die
das weit von sich weisen.
Schimpfwort Emanze
Fenderl
: Emanze wird teils als
Schimpfwort verwendet. Ich
habe schon eine Erklärung dafür: Auf der Uni wollte ich ein
frauenpolitisches Seminar
machen, und da stand eine
Frau und sagte: Alle Männer
raus und alle Frauen, die noch
nie mit Frauenforschung zu
tun hatten, auch.
Dohnal
: Ich finde es wichtig,
Frauen wie mit dem Buch in
den Mittelpunkt zu stellen.
Und ich bin es leid, über bierbäuchige Männer zu lesen. Aber es geht nicht um Einzelschicksale. Das war mein
Problem als Politikerin, dass
man Erfolge nicht trommeln
kann. Ich musste zeigen, wie
traurig die Lage ist, um den
nächsten Schritt zu setzen,
heraus kam: Die Frauen jammern. Aber hätten wir gesagt,
super, alles erreicht - das hätte
ihnen gepasst, den Brüdern.
Keine Chefredakteurinnen bei Zeitungen, wenige Chefinnen im ORF
Fenderl
: Ich fand es spannend
zu zeigen, dass auch privilegierte Frauen Diskriminierung
erleben. Auch im eigenen Umfeld sind die Strukturen deutlich. Bei Zeitungen gibt es
keine Chefredakteurin, im
ORF wenige Chefinnen.
Dohnal
: Die Führungsetagen
sind noch männlich. Und
Frauen, die in Führungsetagen kommen, sind die, die das
System nicht infrage stellen.
Entscheidungen beim Schnapseln
Fenderl
: Das ist mir zu radikal.
Was stimmt: Entscheidungen
rennen auch beim Schnapseln. Dort ist es anstrengend,
bei jedem blöden Männerschmäh aufzuschreien.
Dohnal
: Aber mit Charme erreicht man nichts. Man muss
permanent dranbleiben, auch
wenn man als lästiges Männerweib bezeichnet wird.
Standard
: Kinder sind bei vielen Frauen im Buch Thema,
wenige haben Kinder. Generell
sorgt sich Minister Herbert
Haupt um die Geburtenrate.
Dohnal
: Wie viele Kinder hat
denn der Haupt?
Kinder haben, im Job zurückstecken
Fenderl
: Keines. Es ist kein Zufall, dass in Skandinavien, wo
die Kinderbetreuungssituation anders ist, die Geburtenrate
höher ist. Bei uns müssten
viele mit Kind zurückstecken
im Job, und das wollen viele
nicht. Es gäbe mehr Männer,
die bereit wären zur Karenz.
Aber laut einer EU-Studie ist
Österreich Schlusslicht bei
der Einkommensverteilung -
Frauen verdienen nur 65 Prozent von Männern.
Standard
: Auch unter SPÖ-
Kanzlern ging wenig weiter.
Dohnal
: Dafür sind die Kindergartenplätze ein gutes Beispiel. Die Widerstände kamen
von ÖVP-Landeshauptleuten,
da hätte es zentralistischen
Eingriff gebraucht. Ich habe
zwölfmal ein Bundesgesetz
eingebracht, manchmal bin
ich mir wie ein Depperl vorgekommen. Das Gesetz hätte
durchgekämpft gehört, aber
der SPÖ war es zu unwichtig,
dafür einen Konflikt mit der
ÖVP zu riskieren. SPÖ-Männer sind auch Männer.
Keine Zeit für Geschlechter-Demokratie
Um die jetzige Situation zu
verändern, muss Druck von
außen kommen. In der Wirtschaftskrise ist es praktisch,
wenn für Geschlechterdemokratie keine Zeit ist. Aber es
gibt zu viele Frauen, die sich
nicht abdrängen lassen.
Fenderl
: Ich will nicht dauernd kämpfen. Da ist ein Unterschied der Generation, dass
wir mit der Selbstverständlichkeit in den Job gehen, uns
gehört die Hälfte.
Standard
: Das macht Männern
Angst, Ventil ist der Männerbeauftragte. Was sagen Sie dazu?
Dohnal
: Am besten nichts.
Fenderl
: Manche Männer tun
sich schwer mit selbstbewussten Frauen. Andererseits sagen Männer, da kriegt eh die
Frau den Job. Ich habe kein
Mitleid mit Männern, aber das
ist auch nicht ganz leicht.
Dohnal
: Die Fakten schauen
anders aus, da bleibt keine
Zeit zu fragen, ob ich Mitleid
mit Männern habe. Außerdem
will ich meinem Klischee gar
nicht mehr untreu werden.
Standard
: Die Frauen in Ihrem
Buch sind "30erinnen". Wie
geht es mit denen weiter?
Die Ally McBeal-Generation
Fenderl:
Wir haben den Anspruch, alles zu wollen - im
Job zu sein und Kinder zu haben. Es wird sich zeigen, ob
wir das schaffen. Ich hasse
Worte wie Powerfrauen und
fand spannend, dass im Buch
Frauen über Essstörungen
klagen. Das ist auch mein Problem mit der Ally-Generation-
Geschichte - Ally McBeal ist
eine witzige Serie, aber dass
eine offenbar Kranke zum Idol
einer Generation erhoben
wird, finde ich nicht so toll.
Standard
: Wann ist Gleichberechtigung erreicht?
Dohnal
: Mir gefällt Geschlechterdemokratie besser. Eine
Demokratie, die davon lebt,
dass eine Gruppe auf Kosten
der anderen lebt, ist keine. Aber der Veränderungsprozess wird nicht vom Himmel
fallen. Ich würde mich zur
Verfügung stellen, nicht nur
donnerstags auf die Straße zu
gehen, sondern an einem anderen Tag für Frauenanliegen
zu marschieren. Das würde
ich mir wünschen. Aber ich
wünsche mir so viel. (Der STANDARD, Printausgabe 28.2.2002)