Erfurt - Berichte über spektakuläre Todesfälle nach Langstreckenflügen haben eine Furcht vor der Reisethrombose ausgelöst. Das so genannte Economy-Class-Syndrom ist mit fast 40.000 Einträgen im Internet zu einem "Medienstar" unter den Krankheiten avanciert. Dabei erleiden nach neuesten Erkenntnissen nur sechs bis 24 von 100.000 Vielfliegern eine Thrombose; tödlich verläuft sie bei den wenigsten, wie Univ.-Prof. Sylvia Haas auf einem internationalen Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung in Erfurt sagte. Umbestritten ist, dass langes, bewegungsloses Sitzen in engen Reihen mit angewinkelten Beinen den Blutfluss hemmt. Bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung besteht dann die Gefahr, dass sich ein Gerinnsel, ein so genannter Thrombus in den Blutgefäßen bilden und eine Thrombose verursachen kann. Löst sich das Gerinnsel von der Gefäßwand und wird es in die Lunge geschwemmt, kann es ein Lungengefäß verschließen - es kommt zu der oft tödlich ausgehenden Lungenembolie. Zusammenhang schwierig nachweisbar "Bis der Thrombus sich löst und in die Lunge wandert, können bis zu vier Wochen vergehen. Deswegen ist es schwierig, den direkten Zusammenhang mit der Reise nachzuweisen", sagte Haas. Beim Fliegen könnten durch die eingeklemmte Haltung und den niedrigen Luftdruck noch weitere Risikofaktoren eine Rolle spielen. "Wissenschaftlich konnte bisher jedoch kein Zusammenhang zu der Entstehung einer Reisethrombose nachgewiesen werden", betonte die Professorin. Erstmals seien auf dem Erfurter Kongress von einer Dresdner Arbeitsgruppe Ergebnisse einer Pilotstudie aus Deutschland zur Reisethrombose vorgelegt worden. Danach seien von 120 Patienten, die viel geflogen seien, bei drei Prozent Muskelvenenthrombosen festgestellt worden. Bei 120 Patienten, die nicht geflogen seien, aber sich regelmäßig den gleichen Untersuchungen unterzogen hatten, seien in dem Zeitraum 0,6 Prozent an Thrombose erkrankt, sagte Haas. Häufigkeit steigt mit dem Alter Der Pilotstudie zufolge steigt allerdings die Häufigkeit von Thrombosen bei Menschen über 55 Jahren nach einer längeren Flugreise stark an. Die Ergebnisse würden nun in einer groß angelegten Studie mit 1.000 Probanten überprüft. Die Forschungen liefen derzeit auf Hochtouren, endgültige Resultate seien noch in diesem Jahr zu erwarten. Obwohl es bisher noch nicht gelungen ist, das individuelle Risiko für eine Reisethrombose zu berechnen, schlagen die Experten gewisse Vorsichtsmaßnahmen vor. So sollte der Reisende mindestens einen Viertel Liter Wasser pro Stunde trinken und Beine und Füße in Bewegung halten. Die Beine sollten nicht übereinander geschlagen und öfter gestreckt werden. Auch Zehengymnastik helfe, wenn Herumgehen nicht möglich ist. Wer ein erhöhtes Risiko habe, sollte zusätzlich leichte Kompressionsstrümpfe tragen. Auch niedermolekulares Heparin helfe. Viele glaubten auch, es helfe, Aspirin einzunehmen. "Dies konnte durch die bisherigen Studien nicht belegt werden", sagte die Professorin. (APA/AP)