Wien - Bis zum 5. März diskutieren im Austria Center Vienna rund 6.000 Radiologen beim Europäischen Radiologenkongresses 2002 über neueste Entwicklungen auf ihrem Fachgebiet. Rund 5.000 Vertreter der großen Medizin-Technik-Konzerne präsentieren ihre neuesten Geräte-Entwicklungen. 3D-bildgebende Systeme, Operationsroboter, Navigationssysteme etc. sind die "Highlights". Österreichische Ärzte und Techniker von den drei Universitätskiniken in Wien, Graz und Innsbruck präsentieren ebenfalls ihre Neuentwicklungen. Ein Projekt, das bedeutende Auswirkungen auf die zukünftige Diagnose von Darmpolypen als Vorstufe zu Darmkrebs haben könnte: Grazer Wissenschafter entwickeln gemeinsam mit Fachleuten aus Marburg, Zagreb und Szeged ein System, mit dem solche Polypen ohne normale Endoskopie buchstäblich in "Rekordzeit" entdeckt werden können. "Die so genannte virtuelle Kolonoskopie (Darstellung des gesamten Darms per CT-Untersuchung, Anm.) war bisher noch sehr zeitaufwändig. Man benötigte zwei bis drei Stunden für die Planung, über Nacht musste man rechnen", erklärte Dr. Erich Sorantin, Leiter der Abteilung für Digitale Information & Bildverarbeitung an der Universität Graz. Arbeitsruppe im Rahmen von CEEPUS Sorantin organisierte im Rahmen des speziell auf die Länder Mittel- und Osteuropas abzielenden Forschungskooperationsprogramms CEEPUS eine Arbeitsruppe, die ein System zur "virtuellen Dissekion" des ganzen Darms einer untersuchten Person auf der Basis einer CT-Untersuchung mit 750 Schichtbildern entwickelt hat. Der "Clou" an dem Verfahren: Während bisher virtuelle Endoskopie-Systeme langwierig zu erstellende "Filme" herstellten, die sozusagen eine "Reise durch den Darm" nachkonstruierten, bildet das neue System den Darm anders ab: Entlang einer Mittellinie fährt sozusagen die "virtuelle" Kamera durch den Darm. Doch dann erfolgt nicht das Errechnen eines "Films". Sorantin: "Durch das Computerprogramm wird der Darm sozusagen der Länge nach aufgeschnitten und ausgerollt. Dadurch erstellen wir nur ein Bild. Die Untersuchung selbst dauert für den Operator zehn Minuten. Die Arbeit 'offline' benötigt dann nur noch zwei Stunden." Software-Programm zur möglichen Automatisierung Auf Grund der Bilder konnten zwei Radiologen, die von einander unabhängige Befunder dienten, in einem Leichen-Dickdarm je zwölf von 13 künstlich eingebrachte Polypen-Bildungen entdecken. Das Entwickler-Team arbeitet jetzt an einem Software-Programm, um die Erkennung von Darmpolypen auf Grund der CT-Daten eventuell sogar zu automatisieren. Noch einen Vorteil hat das System: Während CT-Darstellungen des Darms als "Röhre" - genau so wie die Fiberglasoptik-Endoskopie - nicht unbedingt alle Polypen-artigen Veränderungen sichtbar macht, weil der Darm eben "verwinkelt" ist, bringt das "Ausbreiten" des virtuell ausgeschnittenen Darms eine klare Sicht. Systeme zur nicht-invasiven Diagnose von gutartigen Polypen im Darm auf der Basis von außen wirkender bildgebender Verfahren könnten entscheidende Vorteile bringen. Noch immer gehen viel zu wenige Menschen ab dem Alter von 50 Jahren alle paar Jahre zur routinemäßigen Darmspiegelung (Kolonoskopie), weil sie zum Teil unangenehm ist. Doch rund 90 Prozent aller Darmkarzinome entwickeln sich über Jahre hinweg aus solchen Polypen. Im Frühstadium wäre die Erkrankung zu mehr als 90 Prozent heilbar. (APA)