der Standard: Österreichs Langläufer haben in Salt Lake City offensichtlich nicht ordentlich aufgeräumt, es wurde im Quartier belastendes Material gefunden. Walter Mayer: "Es ist etwas Harmloses, es waren keine verbotenen Mittel. Es waren Sachen für Ozon- und UV-Behandlungen oder Glukose-Infusionen. Um die Leute nach den Rennen aufzubauen." STANDARD: Das kann man glauben oder nicht. Mayer: "Noch einmal. Es ist nix Verbotenes. Aber natürlich fällt auf uns ein schiefes Licht. Es war saublöd, diese Dinge in den Mistkübel zu schmeißen. Für mich persönlich ist es Scheiße. Weil ich diese Dinge nicht tun darf. Wenn ich nicht gehen muss, bleibe ich im Amt. Die Frage, wohin die Hund' eigentlich gehen, macht den Reiz aus." STANDARD: Bedeuten die Vorfälle bei Olympia das Ende des Langlaufs, man hat imagemäßig immerhin den Radsport überholt. Mayer: "Das ist schwer zu sagen, bei den Radfahrern ist es auch weitergegangen. Aber es ist eine blöde Geschichte. Die Medizin hat ein Problem. Jede Infusion ist kritisch." STANDARD: Grenzt es nicht an Perversion, wenn NESP, also jenes Mittel, das bei Mühlegg gefunden wurde, aus Eierstockzellen von chinesisch-mongolischen Hamstern gewonnen wird? Mayer: "Ich wusste nicht einmal, dass es so einen Hamster gibt. Aber Hochleistungssport ist eben extrem. Wahrscheinlich ist Langlauf absolut Scheiße. Ohne Diskussion." STANDARD: Sie sind aber mitten drin in der Szene. Gibt es Strategien zur Bewältigung dieser Krise? Mayer: "Da tue ich mir schwer, das ist Sache der Mediziner." STANDARD: Wieso vertraut man der Medizin blind? Mayer: "Das ist die Sache des Einzelnen. Mühlegg ist vielleicht nach Spanien gegangen, weil dort die besseren Ärzte sind. Ich erinnere mich an die WM in Lahti, als die Finnen erwischt wurden. Einen Monat lang wurde darüber geredet, dann ist es frisch und fröhlich weitergegangen." STANDARD: Steigern die Skandale sogar die Popularität? Mayer: "Nein. Obwohl der Radsport boomt. Im Langlauf bleibt mehr hängen, weil es eine kleine Familie betrifft." STANDARD: Was geht in einem Menschen wie Mühlegg vor? Warum haut er nach zwei Goldenen nicht einfach ab? Mayer: "Die Gier spielt sicher eine Rolle. Man hat ihm wohl gesagt, dass das Mittel nicht auf der Liste ist. Aber ich kenne den Mühlegg nicht wirklich. Ich mag ihn als Typ net." STANDARD: Weshalb fordern Sie nicht nachträglich Gold und Silber für Christian Hoffmann und Michail Botwinow? Aus schlechtem Gewissen? Mayer: "Das ist Sache des ÖOC, nicht des Skiverbandes. Eine Goldene nachgereicht zu bekommen, bringt nix. Weil es nichts Kurzlebigeres als den Sport gibt. Am Tag des Rennens ist er hochinteressant, der Rest ist Statistik." STANDARD: Hoffmann und andere gelten als Asthmatiker. Er war vor den Spielen fast panisch, weil er nicht genau wusste, ob er den Spray nehmen darf. Ist das nicht skurril? Mayer: "Natürlich sind das Auswüchse des Sports und des Reglements. Es geht darum, ob was erlaubt ist. Wenn ich mir bei minus 15 Grad leichter tu, nehm' ich den Spray. Sonst höre ich auf." STANDARD: Wäre es für den Unterhaltungswert nicht egal, würden die Läufer für den 50er länger brauchen? Mayer: "Nicht die Zuschauer machen den Level, sondern die Konkurrenz. Aber man darf nicht vergessen, dass Leistungssportler mit 50 Jahren besser beisammen sind als normale Arbeiter." STANDARD: Sollte man Doping freigeben? Mayer: "Das ist eine Diskussion. Karl Schranz wurde 1972 ausgeschlossen, weil er geworben hat. Das kommt einem lächerlich vor. Vielleicht sagt man in 20 Jahren, wie deppert die waren, man hat sie bestraft, weil sie Medikamente genommen haben." STANDARD: Im Langlauf wird über den fehlenden Nachwuchs geklagt. Müsste man nicht sagen: Gott sei dank. Mayer: "So schlimm ist das Nachwuchsproblem nicht. Früher war es ärger. Das geht an den Leuten vorbei. Man muss sich damit abfinden." STANDARD: Ein Eingeständnis der Machtlosigkeit. Mayer: "Es war nie anders. Die alten Griechen haben Stierblut gesoffen, um schneller zu sein. Kontrollen müssen natürlich sein. Aber es gibt immer die Ungerechtigkeit. Wer die bessere Sportmedizin, das bessere Material, mehr Geld hat, der hat Vorteile. Es gibt leistungsfördernde Mittel, die heute erlaubt sind und morgen auf der Liste stehen. Das ist Politik. Da gibt es keine Lösung. Man soll das aber nicht auf die Sportler abschieben." (DER STANDARD, PRINTAUSGABE 2./3. 3. 2002)