Von Thomas Trenkler
Bernhard Altmann, Patriot trotz allem, erzählt seine Geschichte ohne Groll. In einer Publikation, 1948 in New York veröffentlicht, schreibt der Unternehmer, der 1915 in Wien einen Garnhandel aufgezogen und 1919 eine Strickwarenfabrik etabliert hatte: "Am Vorabend des 12. März 1938 traf die Nachricht ein, dass deutsche Truppen die österreichische Landesgrenze bei Salzburg überschritten hatten. Ich entschloss mich, sofort Österreich zu verlassen und ging zunächst nach Paris." Die Wiener Fabrik "war inzwischen von zwei Reichsdeutschen - einem Wurstfabrikanten und einem Filmagenten - übernommen worden. Meine gesamte geschäftliche Habe wurde beschlagnahmt. Als ich versuchte, zur Deckung meiner Lebenskosten von meinen ausländischen Guthabungen bescheidene Beträge abzuheben, setzte die Gestapo meine Familie unter Hausarrest und zwang mich auf diese Weise, die Beträge zurückzugeben. Mein gesamtes übriges Hab und Gut wurde durch die Gestapo im Auktionswege versteigert; von meinem Wiener Besitz blieb mir nichts." Doch Altmann war ein findiger Kopf: Während der Wirtschaftskrise hatte er seinen Mitarbeitern den Lohn in Gold ausbezahlt, worauf diese nicht von der Geldentwertung betroffen waren. Und auch nun gab er nicht klein bei: Er produzierte in den USA während des Krieges Millionen Sweater, baute ein neues Unternehmen auf, ein "Weltgeschäft", dessen Umfang größer werden sollte als jenes in Wien. Dennoch fasste er bereits im Sommer 1945 den Entschluss, wieder in der alten Fabrik zu produzieren. Was kein leichtes Unterfangen darstellte: "Eine Besatzungsmacht" hatte zwei Drittel des Maschinenparks requiriert, es gab kaum Rohstoffe und Nadeln. 1947 aber waren bereits 500 Mitarbeiter "das ganze Jahr voll beschäftigt". Die zahlreichen Lebensmittel schenkte ihnen Altmann: Sie wurden "weder angerechnet, noch vom Lohn abgezogen". 1948 schließlich konstatiert er, wie er schreibt, befriedigt, "dass es gelungen ist, ein Unternehmen, welches in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen wurde, nach einem vollständigen Niedergang wieder hochzubringen. Dabei tritt die Genugtuung dazu, (...) unseren Leuten Arbeit zu geben und der Wiener Geschmacksindustrie auf vielen Märkten wieder Geltung zu verhelfen." Ein glückliches Ende also? Mitnichten. Sein Leben lang beschäftigte sich Altmann damit, seinen Besitz anhand des vom Dorotheum veröffentlichten Katalogs - die Versteigerung "der kompletten Villeneinrichtung Wien XIII, Kopfgasse 1" benötigte im Juni 1938 fünf Tage - zurückzukaufen. Zudem kämpfte er um die Restitution der Kunstwerke, darunter neun Bilder von Albin Egger-Lienz, die nicht veräußert, sondern den Museen übergeben worden waren. Und er sollte - wie im ALBUM vom 20. Oktober 2001 (Das Gieren nach Albin Egger-Lienz) nachzulesen ist - nur bedingt erfolgreich sein. Die Kärntner Landesgalerie und die Stadt Lienz gaben die meisten Kunstwerke erst heraus, nachdem ihnen Otto Demus, der Denkmalamtspräsident, die Besitzverhältnisse eindeutig nachgewiesen hatte. In zwei Fällen aber scheiterte Demus: Klagenfurt ließ sich trotz unzähliger Indizien nicht davon überzeugen, dass Altmann der Eigentümer des Huldigungsfestzuges ist. Und der Lienzer Bürgermeister behauptete, von einer Schnitter -Ölstudie sei "nichts bekannt". Doch der Schnitter ist sehr wohl bekannt: Er befindet sich in Lienz. Und bezüglich des Huldigungsfestzuges können die Altmann-Erben eine Ausgabe des Bernhard Altmann Magazins vom Oktober 1929 vorlegen: Auf dem Titelblatt des Heftes, in dem Arthur Roessler über eine "Begegnung mit Egger-Lienz" berichtet, ist eben dieses Bild abgedruckt. Der Bildtext vermerkt: "Besitzer des Orginales: Bernhard Altmann, Wien." Die Erben fordern nun schriftlich die Rückgabe der beiden Kunstwerke ein. Die Recherchen in Lienz und Klagenfurt über die Provenienzen der Egger-Lienz-Bestände ziehen sich unterdessen hin. Friedrich Wilhelm Leitner, Direktor des Kärntner Landesmuseums, will aber festgestellt haben, dass die Erben nach Georg Duschinsky für drei Bilder, die in der NS-Zeit nach Klagenfurt kamen (zwei davon, Nach dem Friedensschluss und Waldinneres , befinden sich heute im Leopold-Museum), in den 50er-Jahren entschädigt wurden. Abgefertigt worden sei auch Theresia Neumann, deren Ehemann, der Wiener Architekt Oskar Neumann, unter anderem die großformatige Ölstudie Mann und Weib besessen hatte: Das Bild, 1938 "sichergestellt", hatte der Gau Kärnten dem Führer zu dessen 50. Geburtstag geschenkt. Über die Geschichte der restlichen fünf Egger-Lienz-Bilder in Klagenfurt - darunter den Huldigungsfestzug - will man bis dato noch nichts in Erfahrung gebracht haben. In Lienz, wo sich zehn bis 20 Egger-Lienz-Werke mit ungeklärter Herkunft befinden, forscht man; das Ergebnis werde erst im Mai vorliegen. Und das Ferdinandeum in Innsbruck verkündete unlängst, sein Bestand sei unbedenklich. Schon möglich. Denn die sieben Egger-Lienz-Bilder, die "zwischen 1943 und 1945 vom Gauleiter" erworben wurden, gingen in den Besitz des Landes Tirol über - und sind nur eine Leihgabe an das Ferdinandeum. Die Geschichte dieser Bilder hat man bisher nicht hinterfragt. Aber man werde es, verspricht Christoph Mader, der Leiter der Kulturabteilung. Und wenn "etwas nicht sauber ist, dann soll es selbstverständlich zurückgegeben werden. Unrecht darf nicht Unrecht bleiben." A propos: Die Provenienzforschung in Österreich setzte nach der Beschlagnahme zweier Schiele-Gemälde des Leopold-Museums in New York ein. Das war vor über vier Jahren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3. 3. 2002)