International
Saddam Hussein gewinnt Zeit
Die Gespräche zwischen UNO und Bagdad waren "positiv" - Die Frage, wann Waffeninspektoren zurückkehren, bleibt offen - Eine Analyse
New York/Bagdad/Wien - Die ersten Gespräche
zwischen UNO und Irak seit über einem Jahr
sind am Donnerstag nach Auskunft beider Seiten positiv verlaufen; die zweite Runde zur
Frage, ob die 1998 hinausgeworfenen UNO-
Waffeninspektoren in den Irak zurückkehren
können, wird im April folgen. Iraks Außenminister Naji Sabri al-Hadithi konnte laut US-
Medien mit seiner jovialen Art einen PR-Erfolg
verbuchen, Saddam Hussein hat im ehemaligen irakischen Botschafter in Österreich, der
in Wahrheit ein echter Hardliner ist, eine neue
Stimme für den Westen.Mit am Tisch saß auch Hans Blix, in Wien
wohlbekannt als ehemaliger Chef der Atomenergiebehörde (IAEO), der jetzt die UN-Abrüstungsmission für den Irak, Unmovic (U.N.
Monitoring, Verification and Inspection
Commission), leitet, deren Mitglieder gute
zwei Jahre nach Gründung noch keinen Fuß in
den Irak gesetzt haben. Die Unmovic ist die
Nachfolgerin der
Unscom (U.N. Special Commission),
die nach dem Golfkrieg 1991 die - angesichts der raffinierten
irakischen Täuschungsmanöver enorm
schwierige - Abrüstung des Irak von Massenvernichtungswaffen und Langstreckenraketen
übernommen hatte. Ihr Ende war trotz ihrer
großen Leistungen - sie zerstörte mehr Waffen
als der Golfkrieg - unrühmlich: Die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen, aber auch
dem israelischen Geheimdienst (deren Agenda selbstverständlich über die Abrüstung des
Irak herausgeht: Sie wollen Saddam stürzen)
lief klar dem UNO-Auftrag entgegen.
Mit der Unmovic wurde versucht, diesen
Deviationen ein Ende zu setzen; von Blix muss
man sagen, dass ihm die USA skeptisch gegenüberstehen, gerade weil er mit den Irakern
ganz gut kann. Amatzia Baram von der Universität Haifa, einer der international renommiertesten Irakexperten, hält es für nicht ausgeschlossen, dass sich der Irak mit der UNO
tatsächlich einigen wird: Dahinter stehe die
Angst vor einem militärischen Angriff der
USA, Saddam Hussein wolle Zeit gewinnen -
und wenn er erst einmal die Inspektoren im
Irak hätte, wären sie auch prima Geiseln,
meint Baram zum STANDARD.
Allerdings ist zu erwarten, dass die USA ihre Forderungen an den Irak höher schrauben,
als es die UNO-Resolution 1284 (Dez. 1999)
vorsieht, in der dem Irak bei Kooperation mit
der Unmovic eine schrittweise Suspendierung
der UNO-Sanktionen versprochen wird. Obwohl Washington konkrete Angriffspläne auf
den Irak dementiert, hat der Aufbau der militärischen Strukturen am Golf längst begonnen
- und die entsprechende Propaganda, die den
Irak als möglichst gefährlich zeichnen soll,
ebenfalls. Vizepräsident Dick Cheney beginnt
am Sonntag seine Tour durch den Mittleren
Osten, um, wie man annimmt, die politischen
Szenarien für den Kriegsfall zu sondieren. Zuerst muss jedoch der Afghanistan-Krieg zu einem Ende gebracht werden. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 9.3.2002)