Daran, dass er es wirklich sein könnte, denkt am Anfang eigentlich kaum wer. Schließlich legen die Herren Bobo und Ötzi ja auch keine Platten auf und führen dennoch die stolze Berufsbezeichnung DJ im Namen. Wenn also einer "Bauer" im Namen führt, aber dafür bekannt ist, ein Koch zu sein, der vornehmlich an seltsamen und eigentlich völlig unpassenden Örtlichkeiten zu Tisch bittet, dann kann es schon verblüffte Gesichter geben, wenn er auf die Frage nach seinem echten Beruf sagt: "Ich bin der Hanfbauer." Felix Vidensky ist der Hanfbauer. Nicht "ein", sondern "der". Das sei auch eine Frage des Eigenmarketings, gibt der 39-Jährige bereitwillig zu. Schließlich gäbe es eine ganze Menge Landwirte, die seit dem Beginn der 90er-Jahre ihren Weg zum dem traditionsreichen Kraut gefunden haben, das bis in die 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts noch keinerlei negative Assoziationen erweckte oder - seither - kumpelhaftes Eh-schon-wissen-Schulterklopfen heraufbeschwört. Manche Vertreter, Lobbyisten und Apologeten des Berufsstandes werden im Umkehrschluss bei jedem Gespräch über die pelzige Staude binnen kürzester Zeit von geradezu missionarischem Eifer gepackt und hämmern viele nicht inhalationsverknüpfte Wirkungen und Verwendungsmöglichkeiten des Hanfs in den Kopf des Zuhörers - weil der schließlich in der Regel einer lebenslangen Gehirnwäsche der Anti-Hanf-Lobby ausgesetzt war. Vidensky ist da keine Ausnahme. "Ein Hektar Hanf kann eine vierköpfige Familie das ganze Jahr lang mit Nahrung, Kleidung und Brennstoff versorgen", lautet einer der Stehsätze des Hanfbauern: Die Samen der Pflanze könne man zu Nahrung oder Öl verarbeiten, die Fasern zu Stoff, und die Stängel verheizt man. Ein paar Hundert Kilo solle man aber lieber als Dämmmaterial verwenden - schließlich könne ja auch einmal ein Jahr kommen, in dem der Hektar weniger als die üblichen zehn bis 15 Tonnen Ertrag brächte. Eigentlich ist Vidensky ja Künstler. "Ich war sogar Theaterdirektor." Aber vor zehn Jahren wollte er dann etwas anderes machen. "Sesshaft werden. Mit Frau und Kind." Bei Niederwaltenreith, in der Nähe von Zwettl, lebt er seither den Großteil des Jahres über auf einem rund 1,7 Hektar großen Hof. Hühner, Hund und Katzen, Obstbäume und Wirtschaftsgebäude. Ein ganz normaler Bauernhof halt. Außerdem ist Vidensky der Koordinator jener Waldviertler Bauern, die Hanf als Zwischenfrucht - im bäuerlichen Fruchtwechselwirtschaftsrad - auf ihren Feldern anbauen. Zwischen 60 und 80, referiert Vidensky, wären das alleine im Waldviertel. Und der Ertrag der - je nach Anbauzyklus - zwischen 350 und 1000 Hektar umfassenden Hanffelder im Waldviertel sei mittlerweile so groß, dass sich in Heidenreichstein sogar eine eigene Hanfschälanlage rechne. In ganz Österreich? "Keine Ahnung, auf alle Fälle ist das im Wachsen." Schließlich sei der Hanfanbau, "egal ob man das jetzt konventionell oder streng biologisch betreibt", längst eine "vollkommen rentable" Sache. Vidensky lacht, die Frage ist schließlich eine der Einstiegsmöglichkeiten, um das vielstrophige Loblied auf Cannabis sativa anzustimmen. Strophe eins: Der Rohstoff für Papier, Textilien, Farben und Lacke ("Die Mona Lisa ist mit Hanffarbe gemalt"). Strophe zwei: Das Nahrungsmittel, der Brennstoff. Strophe drei: Das älteste Arzneimittel der Erde ("wichtigste Einsatzgebiete wären heute Asthma, Grüner Star, Epilepsie, Multiple Sklerose, Muskelkrämpfe sowie Aids und Krebs"). Strophe vier: Die älteste Kulturpflanze der Menschheit. Refrain: Keine andere Nutzpflanze hat in der Geschichte eine universellere Verwendung gefunden. Außerdem - die Zugabe - ist Hanf der ertragreichste und am schnellsten nachwachsende Rohstoff der gemäßigten Klimazone, also für eine zukünftige, organische und den Kreisläufen der Erde angepasste Energie und Rohstoffwirtschaft unverzichtbar. Horizonterweiternd, kommt Vidensky zum unterhaltsamen Teil seines Plädoyers, sei Hanf natürlich auch: "Ohne Taue und Segel wären Entdecker wie Christoph Columbus nicht allzu weit gekommen." Rauchware? "Bis 1930 hat die österreichische Tabakregie tonnenweise indisches 'Ganja-Powder' importiert und in die Zigaretten gesteckt. Und wenn wir uns Hollywoodfilme aus den 50er-Jahren anschauen, ziehen Bogart & Co. da ganz legal nicht einfach an Zigaretten. Das wird aber aus den Geschichtsbüchern gestrichen." Heute, bedauert Vidensky, gewännen US-Drogenpolitiker, die die massiven EU-Förderungen (1995 bis zu 500 Euro pro Hektar) für die Rekultivierung der ureuropäischen Kulturpflanze seit jeher bekämpfen, wieder an Boden. "Je mehr Hanf angebaut wird, umso schwieriger lässt sich kontrollieren, was damit passiert." Denn dass die Grenze zwischen "bravem" und "bösem" Hanf nicht mit dem Lineal gezogen werden kann, weiß mittlerweile auch die Exekutive - und jeder Bauer, dem ein übereifriger Jungpolizist schon das Feld umpflügen ließ. Mit Anekdoten über derartige Ereignisse kann Hanfbauer Vidensky ganze Abende füllen. "Am Anfang habe ich oft das ganze Autodach mit Hanfpflanzen beladen gehabt. Da gab es regelmäßig vor Aufregung zitternde Polizisten am Straßenrand, die glaubten, jetzt den entscheidenden Schlag gegen die Drogenmafia gelandet zu haben." Die Aufregung endete meist damit, "dass die sich ein Blatt als Souvenir mit in die Wachstube genommen haben". Derartige Spassetln, meint der Hanfbauer - und eine Spur Bedauern klingt da doch mit - seien aber Vergangenheit. Anbau, Verarbeitung und Lobbying laufen auf gut eingefahrenen Schienen, Vidensky selbst konzentriert sich längst auf die Landwirtschaft. Und das Kochen: "Nur" Bauer zu sein ist ihm auf Dauer doch zu wenig. Deshalb packt er (mittlerweile fast wöchentlich) Kochtöpfe, Gaskocher und vielen Ingredienzien in seinen Wagen und fährt nach Wien. Auf Baustellen oder in adeligen Heimen bekocht er dann die Szene der Stadt. Auf organischer Hanfbasis, versteht sich. (DER STANDARD-ALBUM, Print-Ausgabe, 9. /10. 3. 2002)