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Foto: APA/Schlager
Die Wiener Albertina war ein morsches Haus und eine gut unter Verschluss gehaltene Grafiksammlung. Bis Klaus Albrecht Schröder kam, eine Vision hatte und sie wahr zu machen begann. Klaus Albrecht Schröder hat die Sache in die Hand genommen. Man sieht es, man hört es, man riecht es sogar. Nach über fünfzig Jahren gemütlich stillen Vorsichhinrottens rumort es plötzlich heftig in der alten Albertina. Im grauen, auch bei eingehender Betrachtung ausgesprochen unansehnlichen Haus hinter der Staatsoper wird gestemmt und in Betonbottichen gerührt, dass Staub und Zement nur so fliegen und man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Allerorten stehen Gerüste und klaffen Durchbrüche, neue Mauern werden hoch-, Stahlträger eingezogen, Parketten geschliffen, Goldpinsel geschwungen. Der Umbau ist gewaltig, die eingesetzten Mittel enorm, der Weg noch weit. Und überhaupt: Wohin wird er führen? Schröder trat im vergangenen Jahr dynamisch als Leiter der Graphischen Sammlung an, gerufen hat ihn Ministerin Elisabeth Gehrer. Der Mann ist schließlich bekannt dafür, Visionen zu haben, die auch umzusetzen, und die Museumsmilliarde ist ja auch noch irgendwo vorhanden. Das "kleine Denken" ist dem Kunstmanager, wie er selbst betont, zuwider, angehen müsse man die Dinge, und das, ohne lange zu fragen oder gar zu zagen. Deshalb wird die Albertina, traditionell ein Hort besinnlich genauer wissenschaftlicher Betrachtungen und Studien, nicht länger in der Stille verharren, sondern zu einem Museum umfunktioniert, zu einem Kunstbetrieb mit Wechselausstellungshallen, Shop und Cafeteria. Wie man das halt so macht, heutzutage. Irgendwo steht da auch ein Haus, in das die ehrgeizigen Pläne des Klaus Albrecht Schröder hineingepresst werden sollen und das sich nun quasi vor dem Inhalt zu verbeugen hat. Ein Haus mit bewegter Geschichte, mit vielen Um-Ein-Neubauten, mit wertvollen Interieurs und einer tatsächlich grausam vernachlässigten, jahrzehntelang verschlampten Substanz. Wo Ende des 17. Jahrhunderts das Hofbauamt residierte, entstand ein Wohnpalais für Graf Sylva-Tarouca, Lois von Montoyer baute um und vieles Schöne ein, schließlich beauftragte Erzherzog Carl Josef Kornhäusl, noch einmal ordentlich Hand anzulegen. 1945 krachte eine Bombe in das höfische Ensemble, es wurde wieder aufgebaut und sodann dem Verfall überlassen. Um einen derartigen Riesen wiederzubeleben, bedarf es wahrlich archaischer Kräfte, und Schröder stampft durch die verschlungenen Irrgänge des großen Hauses wie der Minotaurus durch sein Labyrinth. Seine ehrgeizigen Pläne als Verirrung zu bezeichnen, wäre freilich vermessen und unangebracht. Kaum ein anderer Charakter hätte die behäbigen Beamtenmaschinerien rascher unter Dampf setzen, hätte mehr Geldsummen auftreiben können als der gebürtige Linzer. Zwar war die architektonische Erweiterung des Hauses durch einen unterirdischen Speicher sowie ein von den Architekten Friedrich Mascher und Erich Steinmayr geplantes gelungenes Studiengebäude mit Werkstätten, Restaurierungsabteilungen und Bibliothek schon zu Vor-Schröder-Zeiten abgesegnet und in Bau, doch dazu kamen nun eine weitere Ausstellungshalle, eine neue, zeitgenössische Erschließung der Bastei, die Rekonstruktion der straßenseitigen Fassaden sowie die Renovierung der historischen Prunkräume. Wohlfeil ist hier naturgemäß gar nichts. Das Wirtschaftsministerium lässt insgesamt - derweilen - 51,83 Millionen Euro (713 Millionen Schilling) springen. Für den Rest hat sich Schröder private Sponsoren gesucht und mit Hannes Androsch als einem der "Förderer der Albertina" einen finanztechnisch ausgefuchsten Verbündeten geangelt. Hans Holleins Bastei-Eingang, das Produkt eines geladenen Wettbewerbes, wird von der Familie Soravia bezahlt, eine Ausstellungshalle von der Stiftung Propter Homines des Fürstentums Liechtenstein. Die mit 4,66 Millionen Euro veranschlagte Renovierung der Prunkräume übernimmt kostenseits zur Hälfte die Gemeinde Wien, der Rest wird privatsponsorenmäßig aufgestellt. Gesetzt den Fall, alles wurde hier richtig ausgerechnet und auch eingenommen, will Schröder sein Reich am 17. März kommenden Jahres feierlich der Öffentlichkeit präsentieren. Der Vorwurf, man hätte es sodann nicht mehr mit der Albert-, sondern mit der Albrechtina zu tun, wird dennoch allerorten laut. Denn Schröders erstaunliches Durchsetzungsvermögen setzt nun nicht nur das ebenfalls in der Albertina zur Miete befindliche Filmmuseum, dessen marode Räumlichkeiten vom Umbau angeknabbert werden, unter Druck, sondern sogar das mächtige Bundesdenkmalamt. Ein negativer Bescheid, was die Umbauten im dritten Stockwerk anbelangt, wurde vom Ministerium aufgrund "öffentlichen Interesses" aufgehoben, die Fassadenrückführung auf den Zustand von 1865 wird nicht nur in Fachkreisen als zumindest fragwürdig angesehen. Doch wo gehobelt wird, fallen Späne, und wenn nach Abschluss der Sanierungsarbeiten das 24-karätige Albertinagold über Kultursponsoren aller Art schimmert, wenn der Grafik-Schatz im sicheren - was die Maschinerie betrifft, allerdings noch nicht finanzierten - Speicher lagert, wenn Ausstellungen und Cocktails eröffnet sind, dann werden Staub und Kämpfe vergessen sein. Bleibt zu hoffen, dass Schröders Macher-Mentalität nicht die ebenso ambitionierten, wenn auch kleineren Institutionen im Haus wie das Filmmuseum zermalmt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24. 2. 2002)