Welt
Smail Balic (1920 - 2002)
Kulturhistoriker und früherer Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich
Wien - Der Islam-Experte, Kulturhistoriker und frühere
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Smail
Balic, ist in der Nacht auf Freitag in Wien im Alter von 82 Jahren
verstorben. Laut Kathpress setzte sich der Verstorbenen besonders für
einen "europa-konformen" Islam ein. Kardinal Franz König würdigte
Balic einmal als "die europäische Dimension eines südeuropäischen
autochtonen Islam". Bosnische Moslems wie Balic seien "auch aus
europäischer Sicht eine sehr wertvolle Brücke zwischen der Welt des
Islam, vor allem im Bereich der arabischen Staaten, und einer
christlichen Orientierung des westlichen Europa". Smail Balic wurde im Jahr 1920 in Mostar in Bosnien-Herzegowina
geboren und wuchs in der Tradition des europäischen Islam auf. Er
studierte islamische Theologie in Sarajewo sowie Turkologie,
Arabistik und Slawistik an den Universitäten Wien, Leipzig und
Wroclaw, dem damaligen Breslau, In Wien promovierte Balic 1945. Er
war in der Folge Lehrbeauftragter an der Öffentlichen Lehranstalt für
Welthandel in Wien. Vor seiner Pensionierung war er
Oberstaatsbibliothekar und Fachreferent für Linguistik (orientalische
Sprachen). Balic war Träger des österreichischen Ehrenkreuzes für
Wissenschaft und Kunst I. Klasse.
Balic plädierte für einen Islam, der die demokratischen und
pluralistischen Gesellschaften Europas bereichern könnte. Jenseits
des heute oft mit religiösem Fanatismus und politischem Radikalismus
gleichgesetzten Islam zeichnete Balic das Bild einer toleranten,
konsensfähigen und weltoffenen Religion. Er beschäftigte sich auch
mit umstrittenen Themen wie dem Frauenbild des Islam und engagierte
sich im christlich-islamischen Dialog. Balic war überzeugt, dass der
Islam eine Reform brauche, die die Zeitbedingtheit vieler seiner
Ausprägungen sieht, ohne dabei die Tradition zu verlassen. Er
kritisierte besonders die Instrumentalisierung des Islam zu
politischen Zwecken. Gewalt sei kein Markenzeichen des Islam, sein
"erster Grundsatz" sei vielmehr der Schutz des menschlichen Lebens.
Die Scharia, das islamische kanonische Recht, bezeichnete Balic als
eine Konstruktion der Nachwelt Mohammeds und in ihrem Gesamtumfang
heute nicht mehr akzeptabel. Nach den Terroranschlägen in New York
hatte eine differenzierte Sichtweise des Islam im Westen als Gebot
der Stunde eingefordert und gleichzeitig die Anschläge auf das
Schärfste verurteilt.
(APA)