Washington/Bern - Der ehemalige amerikanische Vize-Finanzminister Stuart Eizenstat ist voll des Lobes über den Bericht zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, den die von dem Historiker Jean-Francois Bergier geleitete Expertenkommission nach fünfjährigen Recherchen am Freitag präsentiert hat. Im Vergleich mit ähnlichen Kommissionen anderer Länder stehe jene der Schweiz punkto Tiefe, Gründlichkeit und Selbstkritik an der Spitze, sagte Eizenstat in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" ("NZZ am Sonntag"). Er sei überzeugt, dass die Schweiz gestärkt aus der schmerzlichen Analyse der Kommission hervorgehen werde. Eizenstat stellte die Bedeutung der Bergier-Kommission noch über die Entschädigungszahlungen der Schweizer Banken. Es sei zwar wichtig, das Opfer des Holocaust ihr Geld zurückerhalten würden. Am wichtigsten aber sei es, die eigene Vergangenheit einer kritischen Analyse zu unterziehen. Der US-Politiker räumte ein, in seinen beiden Berichten von 1997 und 1998 missverständliche Formulierungen gewählt zu haben, die in der Schweiz für Aufregung gesorgt hätten. Er bezog sich dabei einerseits auf seine Aussage im Vorwort zum ersten Bericht, wonach die Neutralität "unmoralisch" gewesen sei. Damit habe er nur ausdrücken wollen, dass die Neutralität in jener Zeit in einem Konflikt zur Moral gestanden sei. Die Aussage, die neutralen Staaten hätten zur Kriegsverlängerung beigetragen, war laut Eizenstat ebenfalls "ungünstig formuliert". Das Vorwort des Berichts führe aber aus, dass der kumulative Effekt der Handlungen aller neutralen Staaten den Krieg verlängert habe. Kritik an Populisten Blocher Eizenstat übte auch Kritik am Schweizer Rechtspopulisten und Großunternehmer Christoph Blocher. Der Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Zürcher Nationalrat habe aus den Entschädigungszahlungen politisches Kapital geschlagen und so seine Partei zur zweitstärksten in der Schweiz gemacht. Nach den Schlussfolgerungen des Bergier-Berichts hat die Schweiz den deutschen Nazimachthabern im Zweiten Weltkrieg in großem Umfang Devisen beschafft und Rüstungsgüter geliefert. Durch ihre harte Asylpolitik wurde Tausenden von Flüchtlingen die Rettung verweigert. "Die Politik unserer Behörden hat dazu beigetragen, das grausame Ziel der Nazis zu verwirklichen, den Holocaust", erklärte Bergier bei der Präsentation des Berichts mit dem Titel "Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg". Scharf kritisiert die Kommission auch das Verhalten der Schweizer nach Kriegsende. Weder Regierung, noch Unternehmen oder Privatleute hätten rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um Nazi-Geschädigten oder ihren Erben ihre Habe zurückzuerstatten. (APA/sda)