Unternehmen
Mit dem Schuldenmachen hatte der 75-Jährige nie Probleme
München - Leo Kirch muss eine der schwersten
Entscheidungen in seinem Leben treffen. Die Banken wollen ihm nur
dann weiteres Geld geben, wenn er die Macht über einen Großteil
seines Konzerns an die Geldinstitute abtritt. "Das ist sehr schwer
für ihn - es geht schließlich um sein Lebenswerk", sagte ein
Finanzexperte am Sonntag. Doch angesichts der Milliardenschulden der
Gruppe wollen die Gläubigerbanken keine weiteren Risiken eingehen. Gegen eine Beteiligung an dem Kirch-Kerngeschäft KirchMedia würden
sie bis zu 800 Mill. Euro nachlegen. Wenn Kirch nicht einschlägt,
können sie den Geldhahn zudrehen. Dann hätte der 75-jährige den Kampf
um sein Lebenswerk endgültig verloren.
Am Anfang 20.000 Kröten
Mit dem Schuldenmachen hatte Kirch noch nie Probleme. Schon Mitte
der 50-er Jahre lieh sich der Sohn eines fränkischen Weinbauers
20.000 DM und gründete damit seine eigene Firma. Auch in den Jahren
darauf ging ihm bei der rasanten Expansion seines Unternehmens zu
einem der größten Medienkonzerne Europas mit rund 9500 Beschäftigten
immer mal wieder das Geld aus. Doch einen Retter in der Not fand der
gewiefte Geschäftsmann immer. Auch jetzt, in der schwersten Krise
seiner Karriere, konnte sich Kirch bisher auf seine guten Kontakte in
die obersten Etagen der Banken verlassen.
Als es vor wenigen Wochen so aussah, als ob Kirch angesichts
seines Schuldenberges von 6,5 Mrd. Euro nicht mehr weiter wisse,
sprachen viele schon vom Ende des Kirch-Konzerns. Doch die Ruhe
täuschte. Denn Leo Kirch hatte bereits eine Lösung in der Hand. Als
bekannt wurde, dass die HypoVereinsbank ihm mehr als eine Mrd. Euro
für sein 40-prozentiges Paket am Axel Springer zahlen will, erinnerte
das viele an frühere Krisen im Hause Kirch: Nicht zum ersten Mal
hatte Kirch kurz vor dem Ende des Spiels einen letzten Joker gezogen.
Doch inzwischen setzen ihn die Banken massiv unter Druck. Auch die
Insolvenz sei möglich, hieß es am Sonntag in Finanzkreisen.
Geist und Geschick
Seine Geschäftspartner schätzen den 75-Jährigen für seinen
unermüdlichen Unternehmergeist und sein Verhandlungsgeschick. "Er hat
eine sehr einnehmende Art und ist sehr charmant", sagt einer seiner
Partner. "Er ist ein Menschenfänger." Außerhalb seines
Firmenimperiums lernt allerdings kaum jemand diese Seite Kirchs
kennen. In der Öffentlichkeit lässt sich Kirch fast nie blicken und
auch in Interviews meldet er sich nur alle paar Jahre zu Wort -
zuletzt äußerte er sich vor einigen Wochen mit Galgenhumor im
"Spiegel" über die Krise seines Unternehmens.
Seit Jahren leidet Kirch unter den Folgen von Diabetes und hat
einen Großteil seines Augenlichts verloren. Auch die Zeitungsartikel,
die derzeit täglich über ihn erscheinen, muss sich Kirch vorlesen
lassen. Die Schlagzeile "Kirch-Konzern ist pleite" hören zu müssen,
wäre für ihn die schmerzlichste Niederlage seines Lebens. (APA/dpa)