Lech/Arlberg - Auch schneller wird man nur mit ihr, der Zier namens Geduld. Freilich ist Harry Eggers Geduld auf eine harte Probe gestellt worden, und sie wird noch immer gestellt. Just als er, dem sie in Lech am Arlberg eine eigene, immens steile Piste in oder zumindest auf den Berg präpariert haben, vergangene Woche zum Rekordversuch ansetzte, schlug das Wetter um. Zuerst regnete es, dann schneite es fast einen Meter Neuschnee. Egger fuhr für ein paar Tage heim nach Lienz, er muss den zwei Maschinen, mit denen die Strecke täglich acht Stunden lang präpariert wird, schließlich nicht persönlich bei der Arbeit zusehen. Und er sagt: "Ich hab' Zeit. Zumindest so lange Zeit, solange noch Schnee liegt.""Perfekt ist's, wenn's auffirnt" In den nächsten Tagen aber soll es so weit sein. Der Regen hat der Piste eher gut getan, der Schnee muss halt hinausgeschafft werden, schließlich sollte es noch etwas wärmer werden. "Perfekt ist's", sagt Egger, "wenn es auffirnt." Der 36-jährige Osttiroler ist in seiner Kindheit und Jugend rennmäßig Ski gefahren, vornehmlich Abfahrt, das war ihm eines Tages nicht mehr schnell genug, da stieg er um. Und begann, sich mit Franzosen wie Philippe Billy um den Speed-Rekord zu streiten. Vor zwei Jahren brachte Egger den Rekord in seinen Besitz, in Les Arcs in den französischen Alpen fuhr er mit 248,105 km/h einen Berg hinunter. Auch damals hatte er lange warten müssen. "Erst nach sechs Wochen waren die Bedingungen wirklich top." "Skiborg" hat Egger sein Unternehmen genannt, die Vorbereitungen laufen seit einem Jahr, das Budget beträgt eine halbe Million Euro, die Firma Red Bull und der Ort Lech haben Egger sehr geholfen. Skimäßig wird er seit geraumer Zeit von Rossignol ausgerüstet, Atomic ist an einer Kooperation nicht mehr interessiert gewesen. Eggers Bretter sind 2,40 Meter lang, sehr massiv gebaut und fast nicht tailliert, der Mann will schließlich alles, nur nicht um die Kurve fahren. Rossignol stellt fünf Paar Ski zur Verfügung, ein eigenes Team hat noch in Frankreich die allerschnellsten Latten herausgetestet, die anderen sind quasi Reservisten. Lech/Arlberg stellt den "langen Zug" auf dem Rüfikopf zur Verfügung. Ein Bachbett im Auslauf wurde zugeschüttet, eine Lawine war beim Zuschütten behilflich. Laut Egger "liegen 150 Einfamilienhäuser Schnee da drinnen". Am Start wurde extra ein 16 Meter hoher Turm errichtet, von dort geht's fast senkrecht bergab, so kommt Egger richtig auf Touren, er beschleunigt in weniger als elf Sekunden von 0 auf 200. Sein Weltrekord ist im Guinness-Buch vermerkt, der Österreicher gilt als schnellster Mann der Welt ohne Motor. Sein Rennanzug ist immerhin speziell, Kernpunkt einer Reihe von Neuentwicklungen war ein variabler Rückenspoiler, der einen höheren Anpressdruck erzielt. Niemals oben ohne Das Problem ist die Feinpräparierung der Piste, jede kleinste Bodenwelle kann Egger gefährlich werden. Stürze bringen oft schwere Verbrennungen mit sich. Einige Trainingsläufe wurden absolviert, bevor das schlechte Wetter kam, Egger fuhr etwas schneller als Zweihundert, riskierte nicht viel. "Ich riskiere erst, wenn's drauf ankommt", sagt er, "schließlich hängt die ganze Aktion von mir ab. Mir darf ja nichts passieren, ich darf mich nicht einmal verkühlen. Ich geh' nur mit Mütze aus dem Haus." (DER STANDARD-Printausgabe, Montag, 25. März 2002)