Wien - Kaum hatte SP-Chef Alfred Gusenbauer das große Wort ausgesprochen, schon wurde ihm ein Kurswechsel auf die rechte Seite attestiert: Genüsslich interpretierte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer beim Landesparteitag der niederösterreichischen Freiheitlichen Gusenbauers Äußerung, auch eine SPÖ an der Regierung würde keine neuen Schulden machen, als spätes Bekenntnis zur Regierungspolitik des Nulldefizits. Das freilich sieht Exfinanzminister Rudolf Edlinger, der in den letzten Wochen in beinahe jeder seiner Parlamentsreden den "Fetisch Nulldefizit" als Konjunkturbremse gegeißelt hatte, etwas differenzierter. Vor allem aber sieht er überhaupt keinen Widerspruch zwischen seiner Linie und der des Parteichefs: "Wir stehen selbstverständlich dazu, dass auch eine sozialdemokratische Regierung nicht Schulden ins Uferlose machen kann. Aber Gusenbauer hat nichts anderes vorgeschlagen, als die Neuaufnahme von Krediten mit der öffentlichen Investitionsquote zu beschränken." Feste Summen Damit scheint die SPÖ tatsächlich eine Sprachregelung gefunden zu haben, die der Wählerschaft - die in Umfragen überraschend hohes Verständnis für die Budgetsanierung zum Vorteil des Staatsganzen erkennen lässt - zwar das Verantwortungsbewusstsein einer potenziellen Regierungspartei signalisiert, inhaltlich aber durchaus auf der alten Linie bleibt: Denn Gusenbauers Vorschlag zielt ja darauf ab, bei einer Budgeterstellung zuerst die notwendigen öffentlichen Investitionen zu definieren - etwa im Bereich Bildung und Ausbildung - und dann die dafür notwendigen Mittel, wenn nötig über Kredite, zu organisieren. Das ist im Grunde die Umkehrung der jetzt gewählten Vorgangsweise, bei der die Regierung in ihren Budgets feste Summen festsetzt, die zur Finanzierung der Vorhaben ausreichen müssen. Scheibe abschneiden Dieser Logik entsprechen daher auch die weiteren Folgerungen der SPÖ, die jedem prinzipiellen Festhalten am Nulldefizit widersprechen: Die Forderung nach Eingriffen der öffentlichen Hand, um die Wirtschaft in rezessiven Phasen anzukurbeln, bleibe nach wie vor aufrecht, betonte Edlinger. Es sei "absurd", notwendige Zukunftsinvestitionen aus rein bilanztechnischen Überlegungen auf null zu stellen, sagt Edlinger und verweist auf die USA: "Der Regierung dort kann man vieles vorwerfen, nur nicht, von sozialdemokratischem Geist durchdrungen zu sein. Unsere Koalitionäre könnten sich von der US-Wirtschaftspolitik aber durchaus eine Scheibe abschneiden: Die hat nämlich Steuern gesenkt und antizyklisch investiert, als die Wirtschaft in die Rezession rutschte. Und jetzt hofft unsere Regierung darauf, dass die US-Konjunkturlokomotive uns in Europa aus der Rezession zieht. Auch das ist absurd."(Samo Kobenter/DER STANDARD, Print- Ausgabe, 25. 3. 2002)