Es war der Tag, als der Regen kam. Er war schon da, als ich morgens aufwachte, und er war noch immer da, als ich abends schlafen ging. Er wusch den Märzstaub vom frischen Grün der Bäume und überzog die Stadt mit einem nassen Film und schlechter Laune. Die Frauen, die sehr früh aufgestanden waren, hatten die falschen Schuhe an. Man sah sie an Kreuzungen mit nassen Fersen oder nassen Zehen. Der Regen war so stark, dass alle Leute trotz Schirm nass wurden. Irgendein Berufsoptimist hatte gesagt, dass dieser Regen dringend nötig für die Landwirtschaft sei. Wir Nichtbauern konnten uns darüber nicht freuen. Wir rümpften verschnupft die Nase und flüchteten uns ins nächste Kaffeehaus. Es war der Tag, als das Impressionisten-Grün aus Bäumen und Sträuchern schoss, die Forsythien gelb leuchteten und hin und wieder ein Kirschzweig rosa hervorblitzte. United Colours of Ostern. Es war an diesem Tag, als sich am Dach unseres Hauses eine heimliche Inkontinenz bemerkbar machte. Das konnte man dem Dach nicht vorwerfen. In einer Stadt, in der es nie regnet, nie schneit, höchstens der Wind geht, rechnet ein Dach nicht mit Sturzbächen, die vom First herabschießen. Wiener Dachrinnen kennen kein Völlegefühl. An diesem Tag kam der Regen. Es begann mit einem Rauschen in Dolby-Surround-Intensität. Es war ungefähr die Klangkulisse, die man von Regenwald-Dokus kennt. Auf der Ringstraße begann die Regenzeit. Die Tiere stellten sich darauf ein, dass es jetzt sieben Wochen nass sein würde und verschwanden in ihren Verstecken. Es begann mit kleinen gelben Flecken am Plafond des Schlafzimmers. Ich stellte einen Regenschirm bereit, um für das "Armer Poet"-Szenario gerüstet zu sein. Zu Mittag hatten sich die Flecken über die halbe Zimmerdecke ausgebreitet. Die ersten Tropfen fielen satt zu Boden. Ich machte die Tür hinter mir zu und verließ die Wohnung. derStandard/rondo/29/3/02