Natürlich ist es nett, unter einem brokatenen Baldachin aufzuwachen. Und selbstverständlich ist es superfein, sich das Frühstück von livrierten Lakaien auf einem Wägelchen mit silbernem Tablett an das blattvergoldete Barocktischchen am Panoramafenster schieben zu lassen. Von dem aus hat man dann genau den Blick über die Stadt, den auch der Held des oscarüberhäuften Lieblingsfilmes in der Schlüsselszene genoss.Spielverderber

Ja, gibt auch Michael Mücke zu, das hat schon was. Stil. Klasse. Mondänität. Weltläufigkeit. Großzügigkeit. Und so weiter. Man muss kein Hoteldirektor sein, um die Liste sympathisch-emphatischer, meist substantivisch genutzter Adjektiva weiterzuführen, die eine solche luxuriös-lukullische Szene begleiten könnten. Zumindest im Prospekt. Aber Mücke ist ein Spielverderber. Einer, der das ganze schöne Geschirr mit zwei hochgezogenen Augenbrauen zu Klump, zu teurem Klumpert schlägt. "Wer bezahlt das?" fragt die eine Augenbraue. "Wer braucht das?", setzt die zweite nach.

235 Sterne für 235 Hotels

Mücke ist nämlich Hoteldirektor. Einer mit vielen Sternen. Blöderweise verteilen sich die Sterne seiner Herbergen so sparsam wie gleichmäßig auf seine Betriebe: 235 Sterne kann Mücke vorweisen - für exakt 235 Hotels in Europa. 4650 Zimmer. 13.950 Betten. Tendenz steigend. Demnächst auch in Österreich.

Sauber, hell, funktionell und freundlich

Dem superlativischen Hotelwerbeprospektgeschwurbel setzt Mücke mit seinen Etap-Hotels nämlich etwas unendlich und geradezu unanständig Nüchternes gegenüber: Effizienzparadigmen. Die sind zwar überhaupt nicht sexy - aber nur solange man die Dienstreise nicht aus dem eigenen Säckel bezahlt. Dann aber bekommen die nach reinen Nützlichkeitskriterien errichteten und geführten Etap-Hotels plötzlich einen nicht uninteressanten Schimmer: Sauber, hell, funktionell und freundlich hat ein Zimmer zu sein. (Welcher Businessreisende hat Zeit für ein großes Hotel-Fitnesscenter? Und wer hat heute kein Handy und ist auf das Zimmertelefon angewiesen?) Gut erreichbar das Hotel (an Autobahnen, bei Industriegebieten, bei Flughäfen). Und günstig der Preis (zwischen 26 und 42 Euro pro Nacht). Alles andere ist Luxus, auf den man gut und gerne verzichten kann. Als Geschäftsreisender. Aber auch als Familie mit normalem Reise- und Urlaubsbudget.

Doppelbett + Etagenbett + Dusche + WC + Fernsehgerät

Es ist mittlerweile zehn Jahre her, dass im deutschen Düren das erste Etap-Hotel seine gar nicht glamourösen Pforten öffnete. Damals unter dem Namen "Formule 1": Doppelbett plus Etagenbett plus Dusche plus WC und Fernsehgerät lautete (und lautet) das Rezept. Es ging auf: Die Etap-Gruppe zählt zu den am schnellsten wachsenden Hotelketten Deutschlands. Längst ist sie Teil des französischen, auf Low-Budget-Angebote spezialisierten Accor Hotel- und Tourismuskonzernes, zu dem weltweit 3650 Hotels mit 410.000 Zimmern gehören.

Österreich als weites Feld

Österreich, reibt sich Michael Mücke erwartungsfroh die Hände, böte auf dem Sektor der "Budget-Hotellerie ein weites Feld". Eines, auf dem seit kurzem (offiziell wurde am 19. März eröffnet, "aber der Betrieb lief schon vorher, um etwaige Kinderkrankheiten aus dem Weg zu räumen", so Etap-Sprecherin Susanne Wacker) ein Hotel in Salzburg und demnächst eins in Wien-Erdberg wachsen und blühen sollen. "Bis 2005 wollen wir auch in Graz und Linz präsent sein - und in Wien vielleicht zwei weitere Häuser eröffnet haben", kündigt Mücke an - und legt größten Wert darauf, sich von japanischen Schlafcontainerburgen, in denen man nicht nur bargeld- sondern auch personallos an Automatenterminals ein- und auscheckt, deutlich abzugrenzen: "Billig heißt nicht unpersönlich."

Ob der Generaldirektor selbst denn auch auf Einsternniveau absteige? Die Frage ist so nahe liegend wie die Antwort einstudiert. "Also, das ist auch für mich sehr wohl standesgemäß." (Der Standard, Printausgabe, Thomas Rottenberg)