Welt
Bildungsniveau beeinflusst Fremdenfeindlichkeit
Deutsche Studie: Auch starker Alkoholkonsum "Vorbedingung oder Begleiterscheinung"
Berlin - Die Neigung zu fremdenfeindlichen Straftaten
wird nach einer Untersuchung in Deutschland häufig schon in der
Grundschule sichtbar. Dies ist eines der Ergebnisse von drei Studien,
die Innenminister Otto Schily 1998 in Auftrag gegeben hatte und deren
wichtigste Resultate er am Montag in Berlin veröffentlichte. Danach
waren neun von zehn fremdenfeindlichen Straftätern bereits in der
Grundschulzeit als sozial auffällig eingeschätzt worden. Ihre
Schulzeit war häufig durch Leistungsversagen, Schulabbruch und
Straffälligkeit gekennzeichnet. Die Studien beruhen nach Mitteilung des Bundesinnenministeriums
auf der Analyse von 6.229 polizeilichen Ermittlungsakten sowie auf
der Untersuchung von 217 Gerichtsurteilen und der Auswertung von 115
Interviews mit fremdenfeindlichen Tätern. Danach werden
fremdenfeindliche Straftaten überwiegend von männlichen Jugendlichen
und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 24 Jahren verübt. Nur neun
Prozent der Tatverdächtigen sind Frauen.
Problem: Alkohol
Eine offenbar ausschlaggebende Bedeutung hat der Alkohol: "Starker
Alkoholkonsum ist eine erhebliche Vorbedingung oder
Begleiterscheinung fremdenfeindlicher Taten", berichtet das
Innenministerium als Erkenntnis aus den Untersuchungen.
Die Neigung zu fremdenfeindlichen Straftaten hängt den Studien
zufolge eng mit dem Bildungsniveau zusammen: Hauptschulabsolventen
sind unter den Tatverdächtigen überrepräsentiert, der Anteil der
Abiturienten liegt deutlich unter dem der Gesamtbevölkerung. Ein
ähnlicher Zusammenhang besteht hinsichtlich der beruflichen Aus- und
Weiterbildung.
Trotz des engen Zusammenhangs zwischen Fremdenfeindlichkeit und
Bildungsniveau zählt Arbeitslosigkeit nicht zu den wesentlichen
Ursachen: Zwar liegt der Anteil der Arbeitslosen an den
Tatverdächtigen über dem der Gesamtbevölkerung, doch gehen 80 Prozent
der Tatverdächtigen noch zur Schule, absolvieren eine Lehre oder sind
erwerbstätig.
Problem: Gruppe
Zu den weiteren Ergebnissen zählt die Erkenntnis, dass
fremdenfeindliche Straftaten überwiegend in Gruppen begangen werden.
Dabei haben insbesondere Skinhead-Vereinigungen an Bedeutung
gewonnen. Der Anteil der Mehrfachtäter hat in den letzten Jahren
deutlich zugenommen: Gut ein Drittel der Tatverdächtigen war bereits
durch politische und mehr als die Hälfte durch nichtpolitische
Straftaten aufgefallen.
Als eine der Konsequenzen aus den Studien kündigte Schily an,
seine Programme "Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus" in
diesem Jahr mit zusätzlichen 47,2 Millionen Euro fortzusetzen. Auch
das Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten solle unvermindert
fortgesetzt werden. Es sorge in der rechtsextremen Szene für
erhebliche Verunsicherung. Vom telefonischen Beratungsangebot des
Bundesamtes für Verfassungsschutz hätten bereits zahlreiche Anrufer
Gebrauch gemacht.
Eine besondere Bedeutung bei der Bekämpfung von fremdenfeindlicher
und rechtsextremer Gewalt kommt nach Ansicht des
Bundesinnenministeriums der pädagogischen und didaktischen Qualität
des Lehr- und Betreuungsangebotes in Kindergärten und Schulen zu.
Verhaltensauffälligkeiten rechtsextremer Straftäter zeichneten sich
frühzeitig ab und müssten durch eine intensive und fachkundige
Betreuung in Kindergärten und Schulen aufgefangen werden. Auch die
präventive Jugend- und Sozialarbeit für gefährdete Familien müsse
ausgebaut werden, um der Verfestigung krimineller Milieus
entgegenzuwirken. (APA)