Nahost
Armee greift Hauptquartier des palästinensischen Geheimdienstes an
Israel weitet Feldzug in Palästinenser-Gebieten aus - Meinungs- verschiedenheiten UNO-USA zu Nahost
Bethlehem/Washington - Israel hat in der
Nacht zum Dienstag seinen Feldzug in den Palästinenser-Gebieten
unvermindert ausgeweitet. Die israelische Armee griff in den frühen
Morgenstunden das Hauptquartier des Geheimdienstchefs im
Westjordanland, Jibril Rajoub, an. Zwischen den Vereinten Nationen
und den USA offenbarten sich zugleich Meinungsverschiedenheiten in
der Forderung nach einem Rückzug der israelischen Armee. Nach ihren Vorstößen in die palästinensischen Städte Ramallah,
Kalkilya und Tulkarm sowie mehrere Ortschaften im Westjordanland
drang die Armee Augenzeugen zufolge am Dienstag auch in Bethlehem und
in das nahe gelegene Flüchtlingslager Deheisheh ein. In Ramallah und
Kalkilya setzte sie ihre Durchsuchungen von Haus zu Haus fort. Im
Laufe des Montags nahm sie eigenen Angaben zufolge rund 700
Palästinenser fest. Vor Hebron zog sie Truppen zusammen.
In Beituna bei Ramallah begann die Armee palästinensischen Angaben
zufolge einen Angriff auf das Hauptquartier von Sicherheitschef
Rajoub, in dem sich etwa 400 Zivilisten befinden sollen. Dabei habe
die Armee Zivilisten als Schutzschilde benutzt, sagte Rajoub dem
US-Nachrichtensender CNN. Die Armee wies dies als Propaganda zurück.
Radio Israel berichtete, in den frühen Morgenstunden hätten
Verhandlungen über eine Aufgabe der Eingeschlossenen stattgefunden.
Rajoub sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon, man werde
nicht aufgeben. Die Armee nehme bei einem Sturm ein Massaker in Kauf.
Palästinensische Augenzeugen berichteten von schweren Kämpfen und
Rauch, der aus dem brennenden Gebäude in Beitunia nahe Ramallah
aufsteige. Angaben über mögliche Todesopfer oder Verletzte gab es
zunächst nicht. Seit Karfreitag hatte die Armee das Gebäude mit
Panzern umstellt.
Die Armee begründet ihren Feldzug mit der Suche nach den
Verantwortlichen für Angriffe auf Israel. Seit Mittwoch wurden bei
Selbstmordattentaten 39 israelische Zivilisten getötet. Israels
Justizminister Meir Shetret bekräftigte am Montag, dass sich sein
Land im Krieg befinde. "Wir werden nicht aufhören, bevor wir sehen,
dass der Terror aufgehört hat", sagte er.
"Feuerpause und Rückzug"
UNO-Generalsekretär Kofi Annan wiederholte in New York seine
Forderung nach einem Rückzug der israelischen Armee aus
palästinensischem Land und unterstrich, dass die am Samstag
verabschiedete Resolution des UNO-Sicherheitsrates keine zeitliche
Abfolge von Abzug und Waffenruhe festgeschrieben habe. Zuvor hatte
ein Sprecher von US-Präsident George W. Bush in Washington darauf
hingewiesen, dass die UNO zuerst eine Waffenruhe und danach einen
Rückzug der Israelis fordere. "Das stimmt voll und ganz mit dem
überein, was der Präsident für nötig hält, damit Frieden entstehen
kann", sagte er.
Ein Sprecher von US-Außenminister Colin Powell rief Israel dagegen
zur Zurückhaltung auf und sagte: "Wir wollen sofort eine Feuerpause
und den Rückzug der israelischen Kräfte sehen." Arabische Staaten
forderten eine weitere Sitzung des Sicherheitsrates, bei der die
Resolution vom Samstag bekräftigt werden müsse. Dies lehnten die USA
ab.
In Bethlehem im Westjordanland wurden drei der Kollaboration mit
Israel verdächtigte Palästinenser hingerichtet. Sie wurden in der
Nacht zum Dienstag nach palästinensischen Angaben in einer
palästinensischen Polizeistation in der autonomen Stadt erschossen.
Erst am Montag waren im Westjordanland mindestens neun mutmaßliche
Kollaborateure erschossen worden.
Erstmals seit dem Abzug der israelischen Armee im Mai 2000 wurde
vom Süden des Libanon aus eine Rakete auf israelisches Staatsgebiet
abgeschossen. Die Katjuscha-Rakete explodierte am frühen
Dienstagmorgen nahe der nordisraelischen Stadt Kiryat Shmona, wie
israelische Sicherheitskräfte mitteilten. Zu dem Angriff bekannte
sich zunächst niemand. (APA/Reuters)