Alltag
"Das Single-Dasein ist eine defizitäre Sozialfigur"
Deutscher Soziologe sieht den Willen zur Paarbeziehung ungebrochen
Hamburg - Nicht der Single, sondern das Paar wird nach
Einschätzung des Soziologen Dirk Kaesler die Lebensformen der Zukunft
prägen. "Das Single-Dasein ist eine defizitäre Sozialfigur", sagte
der Professor an der Universität Marburg. Das Bedürfnis nach Nähe zu
einem vertrauten Menschen sei eine anthropologische Konstante. Nur
eine winzige Gruppe entscheide sich freiwillig dafür, allein durchs
Leben zu gehen. "Bestimmend für die Gesellschaft bleibt daher das Leben mit einem
Partner oder die Suche nach ihm", so Kaesler - und nicht, wie in den
vergangenen Jahrzehnten teilweise angenommen, der auf sich
konzentrierte Einzelkämpfer.
"Paar" kann vieles heißen
"Das Paar ist die Urfigur des Nicht-Alleine-Lebens. Allerdings
kann Paar heute viel heißen", erläuterte Kaesler: Außer dem
"Klassiker Mann und Frau in einer Altersgruppe" gebe es die
gleichgeschlechtlichen Zweierbünde, ältere Frauen mit jungen Männern
und umgekehrt, verheiratete und unverheiratete Paare. "Und manchmal
kommen Kinder - eigene, adoptierte oder Pflegekinder - dazu, dann
wird es eine Familie."
Moment der Unsicherheit prägt
In der individualistisch ausgerichteten Gesellschaft empfinde
allerdings kaum einer seine Bindung als unveränderbar, sondern "man
lebt als Paar auf Bewährung". Dieses Moment der Unsicherheit sei
heute prägender als jede Ich-Fixiertheit einer Single-Kultur. "Die
Menschen wissen, dass das Leben im Paar sie selbst, ihre
Individualität, verändert", ergänzte Kaesler. "Wenn der Wandel für
das Selbstbild jedoch zu stark wird, dann steigen sie aus dem Paar
wieder aus - meistens um eine neue Paar-Konstellation zu suchen." (APA)