Graz - Als im Vorjahr die Bauarbeiten zur Umgestaltung des Grazer Hauptlatzes begannen, herrschte unter Experten noch die Meinung vor, dass sich unter dem Platz vor dem Rathaus immer schon eine Platzanlage befunden hätte. Seit dem 15. Jahrhundert ist eine solche auch belegt.Die Überraschung war groß, als man im vergangenen Sommer auf massive Mauerreste - teils mit Brandspuren versehen - und andere Funde aus dem 11. bis 14. Jahrhundert stieß, die eine bisher unbekannte Verbauung zutage förderten. Schwemmschichten unter den ältesten Bauresten könnten außerdem daraufhin deuten, dass der Platz im 11. Jahrhundert noch zur Uferzone der Mur gehörte. Wie der STANDARD berichtete, ging man mit diesen ersten Funden nicht besonders sensibel um, teils wurden sie damals mit Baggern auf den Schuttplatz geführt. Heute stellt sich die Situation anders dar. Seit Oktober arbeitet die Archäologin Ulla Steinklauber mit rund zehn Archäologen und Studenten vor Ort, um wertvolle Funde zu sichern und zu dokumentieren. Am Mittwoch wurde die dritte Grabungsfläche, zwischen dem Haupteingang des Rathauses und dem Erzherzog Johann-Brunnen geöffnet. Geschützt durch ein Zelt, das am Freitag wieder aufgestellt wurde, sollten die Wissenschafter bei jeder Witterung weiter arbeiten können. Steinklauber: "Es sind hochinteressante Funde. Gemeinsam mit Historikern werden wir neues über die Geschichte der Stadt erfahren können." Spielstein und Würfel Gefunden hat man unter anderem mittelalterliches Glas von Tafelgeschirr, einen Spielstein und zwei kleine Würfel aus Bein, die Riemenzunge eines spätmittelalterlichen Gürtels aus Buntmetall und Silbermünzen aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Der mit dem neuen Hauptplatz beauftragte Architekt, Markus Pernthaler, plante spontan Glasvitrinen in den neuen Platz ein, in denen die Gegenstände künftig ausgestellt werden können. Die Mauerreste selbst sollen aber wieder unter den neuen, einheitlichen Bodenplatten verschwinden. "Sehr schade", findet das SP-Stadtrat Walter Ferk, der sich dafür einsetzen will, doch ein kleines Fenster im Boden offen zu lassen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.04.2002)