"Eine Geisel ist frei." Mit dieser Meldung unterbrach gestern das polnische Radio zum ersten Mal das Programm. Knapp hieß es weiter: "Die Deutsche konnte fliehen, als die Bankräuber in der Nähe der ostpolnischen Stadt Piaski tanken mussten. Die Frau ist unverletzt."Begonnen hatte das Geiseldrama am Vorabend in Wrestedt bei Uelzen in Niedersachsen. Drei Männer überfielen eine Bank und zwangen den Filialleiter zur Herausgabe einer (laut Polizei) sechsstelligen Eurosumme. Anschließend nahmen sie zwei (25 und 39 Jahre alte) weibliche Bankangestellte als Geiseln mit und flohen mit einem Seat Richtung Polen. Kurz nach Mitternacht hatte der Wagen die deutsch-polnische Grenze bei Frankfurt an der Oder durchbrochen und raste mit Tempo 150 Richtung Warschau und weiter Richtung Ukraine, verfolgt von Polizei in Streifenwagen und Hubschraubern. An der polnisch-ukrainischen Grenze spätestens sollte das Auto gestoppt werden, aber den Verbrechern gelang es in rasender Fahrt, auch diese Sperre zu durchbrechen. Um das Leben der zweiten Geisel nicht zu gefährden, wurde das Auto nicht mit Gewalt aufgehalten. Die Verfolgung nahmen nun auch ukrainische Polizisten auf. Flucht in die Wälder Das Ziel der Bankräuber schien Wolhynien in der Nordwestukraine zu sein. Dort gibt es viele Wälder, Flüsse und versteckt liegende Dörfer. Die Chance, dass die Verbrecher hier der Polizei entkommen könnten, wurde als relativ groß eingeschätzt. Die 39-jährige Bankangestellte, die den Geiselnehmern entkommen konnte, stand unter Schock. Vorerst blieb unbekannt, wie es der 25-Jährigen geht, die noch immer in der Gewalt der Geiselnehmer war. Polizeisprecher betonten, dass sie die schwer bewaffneten Verbrecher nicht gewaltsam aufhalten wollten, um das Leben der Geisel nicht zu gefährden. Die ukrainische Polizei aber postierte in der Nähe der Stadt Riwne Scharfschützen und errichtete Barrieren. Wie am Nachmittag bekannt wurde, gelang es den Polizisten, das Fahrzeug vorläufig aufzuhalten und Verhandlungen mit den Geiselnehmern aufzunehmen. Kurz nach 15 Uhr wurde bei Riwne die zweite Geisel freigelassen. Die Frau blieb unverletzt, die Bankräuber wurden in Polizeigewahrsam genommen. (DER STANDARD, Printausgabe 04.04.2002)