Nahost
Schriftsteller Amos Oz: Israel muss Besatzung beenden
Feindliche Bevölkerung lässt sich nicht auf Dauer unterdrücken
Jerusalem/Frankfurt - "Israel muss den Krieg in den
palästinensischen Gebieten beenden. Es muss die Besatzung beenden und
die jüdischen Siedlungen auflösen, die dort gezielt errichtet
wurden", schreibt der israelische Schriftsteller Amos Oz in einem am
Donnerstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichten
Beitrag. "Zwei palästinensisch-israelische Kriege sind in Nahost
ausgebrochen. Den einen führen die Palästinenser, um ein Ende der
Besatzung zu erreichen und ihr Recht auf einen unabhängigen Staat
durchzusetzen. Jeder vernünftige Mensch wird diese Sache
unterstützen. Den anderen Krieg führen fanatische Muslime, von Iran
bis Gaza und von Libanon bis Ramallah, um Israel zu vernichten und
die Juden zu vertreiben. Jeder vernünftige Mensch wird dieses
verurteilen." Yasser Arafat und seine Leute führten "beide Kriege gleichzeitig
und tun dabei so, als wäre es einer. Die Selbstmordattentäter treffen
offensichtlich keine Unterscheidung. Die weltweite Ratlosigkeit
angesichts der Situation im Nahen Osten, aber auch die Verwirrung
unter den Israelis selbst rührt weitgehend daher, dass sich die
beiden Kriege überschneiden. Anständige Friedenssucher, in Israel und
anderswo, vertreten oft allzu einfache Standpunkte. Entweder sie
verteidigen Israels fortdauernde Besetzung des Westjordanlands und
des Gaza-Streifens mit dem Hinweis, dass Israel seit seiner Gründung
1948 das Ziel muslimischer Kriege gewesen sei. Oder sie attackieren
Israel, weil sie der Ansicht sind, dass nur die Besatzung einem
gerechten und dauerhaften Frieden entgegen stehe. Eines dieser
einfachen Argumente erlaubt es Palästinensern, alle Israelis zu
töten, weil sie natürlich das Recht auf Widerstand gegen die
Besatzung haben. Ein ebenso simples Gegenargument erlaubt es den
Israelis, alle Palästinenser zu unterdrücken, weil diese einen
totalen Dschihad gegen Israel führen."
Zwei Kriege
"In dieser Region werden zwei Kriege geführt - der eine ist gerecht,
der andere ungerecht und sinnlos. Israel muss den Krieg in den
palästinensischen Gebieten beenden. Es muss die Besatzung beenden und
die jüdischen Siedlungen auflösen, die dort gezielt errichtet wurden.
Seine Grenzen müssen, notfalls einseitig, entsprechend den
demographischen Verhältnissen gezogen werden und gemäß dem
moralischen Imperativ, dass eine feindliche Bevölkerung nicht auf
Dauer unterdrückt werden kann. Würde aber ein Ende der Besatzung das
Ende des islamischen Dschihads gegen Israel bedeuten? Das ist schwer
zu sagen. Sobald der Dschihad eingestellt wird, könnten beide Seiten
Friedensverhandlungen führen. Wenn nicht, müßten wir die logische,
die demographische Grenze Israels dichtmachen und weiterhin gegen die
fanatischen Muslime um unser Leben kämpfen."
"Sollte jedoch, trotz aller schönen Visionen, das Ende der Besatzung
keinen Frieden bringen, werden wir zumindest nicht mehr zwei Kriege,
sondern nur noch einen führen müssen. Keinen Krieg um die
vollständige Herrschaft über das ganze Heilige Land, sondern einen
Krieg für unser Recht, in einem freien und unabhängigen jüdischen
Staat in einem Teil dieses Landes zu leben. Ein gerechter Krieg, ein
alternativloser Krieg. Ein Krieg, den wir gewinnen werden. Wie alle
Völker, die gezwungen waren, um ihre Heimat, um ihre Freiheit, um ihr
Leben zu kämpfen." (APA)