Innsbruck/Linz/St.Pölten/Villach/Wien - Alle reden von den
Kinderimpfungen. Doch die größten Lücken beim Impfschutz gibt es in
Österreich bei den Erwachsenen, speziell bei den Senioren. Jetzt
schlagen Tiroler Experten Alarm: Laut einer neuen Untersuchung von
Fachleuten des Instituts für Biomedizinische Alternsforschung der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck sind
jeweils rund die Hälfte der über 60-Jährigen in Österreich nicht
gegen Tetanus, Diphtherie bzw. FSME geschützt.
"Das ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten auf
diesem Gebiet. - Vor allem wegen der daraus ableitbaren notwendigen
Konsequenzen. Impfen ist nicht nur Kindersache. Aus den vorgelegten
Resultaten wird nämlich deutlich, dass im Alter häufig kein
ausreichender Schutz vor Infektionskrankheiten besteht", erklärte zu
der jetzt in der Wiener Klinischen Wochenschrift erschienenen Arbeit
von Ursula Hainz (Innsbruck) und einem Autorenteam mit Beteiligung
von Wiener und Kärntner Experten der Vorstand des Instituts für
Sozialmedizin der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze.
Details
Bei verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens
(z.B. Gesundheitsamt, Krankenhäuser) in Innsbruck, Linz, St. Pölten,
Villach und Wien wurden 300 Menschen im Alter über 60 Jahren
(durchschnittlich 73 Jahre, Altersgruppe: 60 bis 95) und 300 jüngere
Personen (bis 35 Jahre, durchschnittlich 28 Jahre, Altersgruppe: 17
bis 35 Jahre) gebeten, sich eine Blutprobe abnehmen und eine genaue
"Krankengeschichte", was die Impfungen betrifft, durchführen zu
lassen.
Per Laboruntersuchungen wurde zusätzlich getestet, ob die
Teilnehmer in ihrem Blut genug - durch Impfungen hervorgerufene -
Antikörper aufwiesen, um gegen verschiedene Infektionskrankheiten
immunisiert zu sein. Die
Resultate
waren jedenfalls speziell bei den
Senioren ernüchternd:
In der "jungen" Probandengruppe waren 98 Prozent ausreichend
gegen Tetanus geschützt, hingegen nur 55 Prozent bei den älteren
Menschen.
66 Prozent der unter 35-Jährigen wiesen einen Schutz gegen die
Diphtherie auf. Auch das ist bedenklich, wenn ein Drittel für eine
Infektion anfällig wäre. Doch katastrophal ist die Situation bei den
Senioren: 51 Prozent von ihnen könnten durch die gefährlichen Keime
angesteckt werden. Nur 49 Prozent der Probanden waren geschützt.
Auch bei der FSME gibt es deutliche Lücken: Zwar waren 92
Prozent der Angehörigen der jüngeren Gruppe immunisiert, doch bei den
älteren Menschen waren es nur 53 Prozent. Seit Jahren weisen
österreichische Fachleute regelmäßig darauf hin, dass die meisten
Fälle an Frühsommer-Meningo-Enzephalitis ("Zeckenkrankheit") bei
Senioren zu verzeichnen sind.
Gleichermaßen gefährlich: Jeweils mehr als die Hälfte der
Probanden in beiden Gruppen war nur unzureichend gegen die Influenza
geschützt.Kürzerer Impfschutz im Alter
"Die Studie zeigt, dass im Alter häufig kein
ausreichender Schutz vor Infektionskrankeiten beteht. Dies ist zum
einen darauf zurückzuführen, dass sich viele Senioren nicht an die in
Österreich gültigen Impfempfehlungen halten, zum anderen ist selbst
bei regulär durchgeführten Impfungen im Alter mit niedrigeren
Antikörperkonzentrationen und kürzerem Impfschutz zu rechnen als in
der Jugend", so die Fachleute.
Daraus ziehen die Experten folgende Schlussfolgerung: "Die
Resultate der Studie sollen Anstoß zu Diskussionen über Maßnahmen
geben, mittels derer Senioren besser gegen Infektionskrankheiten
geschützt werden können. Gezielte Impfkampagnen, verkürzte
Impfintervalle und altersangepasste Impfstrategien wären zu erwägen."
(APA)