Finanzen & Börse
EZB hält vorerst an ihrem Zinsniveau fest
Analysten rechnen mit höheren Leitzinsen ab Herbst
Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB)
erwartet nach Worten von Wim Duisenberg trotz des jüngsten
Ölpreisanstiegs in diesem Jahr weiterhin einen Rückgang der Inflation
und eine Konjunkturerholung in der Euro-Zone.Die Notenbank ließ auf
der donnerstägigen Sitzung ihre Leitzinsen erwartungsgemäß
unverändert. Der für die Refinanzierung der Geschäftsbanken
maßgebliche Schlüsselzins beträgt damit seit November des vergangenen
Jahres 3,25 Prozent.Zweifel an Konjunkturerholung bleiben
Die Zinsen seien weiterhin angemessen, ein stabiles Preisniveau
auf mittlere Sicht zu gewährleisten, begründete Duisenberg die
Entscheidung. Der EZB-Präsident verdeutlichte, dass die Währungshüter
zwar weiterhin eine Konjunkturerholung in der Euro-Zone erwarten,
aber auch die letzten Zweifel noch nicht geschwunden sind. "Während
einige Bedenken bleiben, nicht zuletzt etwa wegen des deutlichen
Ölpreisanstiegs, haben die jüngsten Erkenntnisse unsere früheren
Einschätzungen bestätigt." Im Lauf des Jahres werde sich das Wachstum
auf bis zu 2,5 Prozent beschleunigen.
Dabei würden von der Binnennachfrage stärkere Impulse ausgehen als
von den Exporten. Wenn der jüngste deutliche Anstieg der Ölpreise
weitergehe, stelle er ein Risiko für höhere Inflation wie für eine
geringere Wirtschaftsleistung aus. "Aber davor steht ein großes
Wenn", sagte Duisenberg. Auch wenn die Inflation, vor allem vom
Ölpreis getrieben im März auf 2,5 Prozent gestiegen sei, gehe die EZB
weiterhin von einem Rückgang unter die Toleranzgrenze von zwei
Prozent in den kommenden Monaten aus und erwarte einen
Jahresdurchschnitt von knapp unter zwei Prozent.
Inflations-Risiken
Ausschläge beim Abwärtstrend der Inflation seien erwartet worden.
Allerdings werde sie diese Grenze wegen der höheren Ölpreise wohl
nicht mehr so stark wie früher angenommen unterschreiten. Duisenberg
äußerte erneut Bedenken, dass zu starke Lohnerhöhungen ein stabiles
Preisniveau gefährden könnten. Insgesamt gebe es Risiken für einen
Anstieg der Inflation. "Aber wie schnell sie sich materialisieren,
ist noch sehr unsicher."
An den Finanzmärkten war die Entscheidung zu unveränderten
Leitzinsen erwartet worden. Die meisten Volkswirte gehen davon aus,
dass die Notenbank im Herbst mit höheren Leitzinsen
Inflationsgefahren begegnen wird, wenn sich das Wachstum
beschleunigt. "Die EZB wird noch abwarten, ob sich die positiven
Konjunkturerwartungen verwirklichen. Bis zur Sommerpause wird nichts
mehr passieren", sagte Carsten Demski von der Bankgesellschaft
Berlin.
Die Notenbank hatte im vergangenen Jahr die Leitzinsen in vier
Schritten um 150 Basispunkte auf 3,25 Prozent gesenkt, zuletzt um
einen halben Prozentpunkt im November. Mit dem starken
Konjunkturabschwung in der Euro-Zone waren die Risiken für höhere
Inflation, die die Notenbank unter einer Obergrenze von zwei Prozent
halten will, geschwunden. (APA/Reuters)