Wien - Die Kapitalmarktexperten der Raiffeisen Zentralbank
(RZB) rechnen zwar mit einem freundlichen zweiten Quartal an den
internationalen Leitbörsen, anstatt einer stürmischen
Aufwärtsbewegung sollten die Anleger jedoch eher ein "Mailüfterl"
erwarten. "Die fetten Jahre sind vorbei, nun kommt es auf Timing und
die Branchenauswahl an", hebt RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek am
Donnerstag vor Journalisten hervor. Der Einstiegszeitpunkt sei
momentan sehr günstig, da der US-Konjunkturaufschwung in den
Gewinnschätzungen der Unternehmen bisher noch nicht enthalten sei.
Der RZB-Experte geht von einer Trendumkehr der
US-Unternehmensgewinne im zweiten Quartal 2002 aus. Die Anleger
sollten sich nicht von den zurückhaltenden Aussagen der Unternehmen
abschrecken lassen, da diese nach dem letzten Abschwung "gebrannte
Kinder" seien und nun unangenehme Gewinnwarungen verhindern wollten.
Daher rät Brezinschek jetzt zu einem Einstieg in die kurzfristig
schwächelnden Aktienmärkte, um sich bis zur Jahresmitte "von der
Konjunkturlokomotive ziehen zu lassen".
Grundstoffbranche und klassische Industrietiteln
Die RZB favorisiert zur Zeit neben der Grundstoffbranche und
klassischen Industrietiteln auch Wachstumswerte, die Brezinschek vor
einem Comeback sieht. Neben Raum für positive Gewinnüberraschungen
spreche vor allem die stark gesunkene Volatilität, ein Hinweis auf
nachlassende Spekulationen im Markt, für den Technologiesektor.
Investitionen sollten sich jedoch auf die Bereiche Software und
Halbleiter beschränken, da die RZB für Telekom- und Netzwerk-Titel
deutlich weniger positiv gestimmt ist.
Für die zweite Jahreshälfte geht Brezinschek generell von einem
"rauheren Börsenklima" aus, was er mit der nachlassenden Dynamik der
US-Wirtschaft und den einsetzenden Zinserhöhungen begründet. Zudem
lassen die bis dahin nach oben revidierten Unternehmensgewinne
weniger Luft für positive Überraschungen. Die RZB-Empfehlungen gelten
daher bis zur Jahresmitte, danach "werden die Karten neu gemischt".
Wachstum wird belastet
Vorsichtig zeigt sich die RZB nach dem "starken Start" auch für
die Entwicklung der US-Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf. Ein
neuerliches Abgleiten in die Krise ist für die Zins- und
Währungsanalystin Lydia Kranner zwar wenig wahrscheinlich, allerdings
werde das langfristige Wachstum durch die bestehenden
Ungleichgewichte der US-Wirtschaft, wie einem dynamischen Konsums
trotz nagativer Sparquote, belastet werden. Die Wachstumsraten
sollten sich von rund fünf Prozent im ersten Quartal 2002 in der
Folge auf Werte zwischen zwei und drei Prozent einpendeln.
Zinssenkungen der US-Notenbank Fed erwartet Kranner ab August, der
Leitzins werde bis Jahresende auf zumindest 2,75 Prozent ansteigen.
Europa werde - wie auch bei der Konjunkturentwicklung - zeitlich
nachhinken und erst im vierten Quartal beginnen, die Zinszügel wieder
zu straffen.
(APA)