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Foto: APA/dpa/Hermann Wöstmann
Wien - Wenn die Sympathie zwischen Dirigent und Orchester eine gewisse Intensität erreicht, dann findet sie auch Worte: "Mit euch fange ich dort an, wo ich mit anderen aufhöre!", sprach Dirigent Kent Nagano zu den Wiener Symphonikern beim Erarbeiten der 7. Symphonie von Anton Bruckner. Und da die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruhte, sucht man nun schon eine Weile nach einem Weg, diese Zusammenarbeit zu intensivieren. Mittlerweile ist es fix: Nach Ende der Zusammenarbeit (bis 2004) mit dem momentanen Chefdirigenten der Wiener Symphoniker, Vladimir Fedosejev, wird Kent Nagano Hauptdirigent der Wiener Symphoniker. "Der Vertrag mit Fedosejev läuft aus, er wird dem Orchester natürlich weiterhin zur Verfügung stehen. Aber es ist viel Zeit vergangen, Abnützungserscheinungen treten ganz natürlich auf", sagt Symphoniker-Generalsekretär Rainer Bischof. Das Orchester wollte Nagano durchaus gerne zum Chefdirigenten küren. Wegen anderer Bindungen - er ist zurzeit Principal Conductor der Los Angeles Opera und vor allem Chefdirigent des Deutschen Symphonieorchesters Berlin (bis 2008) - und der sich daraus ergebenden terminlichen und rechtlichen Folgen wird Nagano nicht den Titel Chefdirigent tragen. Titel unklar Da aber dieser Titel ab 2004 an niemanden vergeben wird, ein Chefdirigent also explizit nicht gesucht wird, wird Nagano zum wichtigsten künstlerischen Partner des Orchesters, wobei Details noch nicht vertraglich fixiert sind. Rainer Bischof: "Vielleicht wird er unter dem Begriff ,Erster Gastdirigent' firmieren. Das ist alles nicht so wichtig. Herbert von Karajan war ja formal auch nicht Chefdirigent der Symphoniker, und doch war er es. Wichtig ist, dass er da ist!" Nagano wird vier bis fünf Programme pro Jahr erarbeiten und eine Tournee bestreiten. Bischof: "Interessiert haben ihn der hohe Standard des Orchesters und dessen Geschichte. Er will aber keine normalen Programme machen, sondern etwas Spezielles - wie etwa die Konzerte im Juni im Konzerthaus, bei denen Skandalkonzerte aus dem Jahre 1911 thematisiert werden. Etwa die Pariser Uraufführung von Igor Strawinskys Le sacre du printemps. " Vonseiten des Orchesters heißt es, man habe die Vielseitigkeit und Kompetenz des amerikanischen Dirigenten zu schätzen gelernt. Es wird auch noch zu verhandeln sein, ob Nagano bei den Bregenzer Festspielen, wo die Symphoniker im Sommer präsent sind, Oper dirigieren wird. "Das Orchester freut sich über alles, was mit ihm möglich ist - also auch über Oper in Bregenz", so Bischof. Nagano, 1951 in Morro Bay, Kalifornien, geboren, war Assistent von Seiji Ozawa und studierte auch bei Pierre Boulez und Leonard Bernstein. Er war Principal Guest Conductor des Pariser Ensembles InterContemporain, 1988 wurde er zum Chefdirigenten der Opéra du Lyon (als Nachfolger von John Eliot Gardiner) ernannt. Er feierte auch Erfolge bei den Salzburger Festspielen (etwa mit Messiaens Oper Saint Fran¸cois d'Assise) und kann im CD-Bereich mittlerweile auf drei Grammy-Siege verweisen - seine Präsenz am Tonträgermarkt könnte den Symphonikern auch zugute kommen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 4. 2002)