Hilflosigkeit, gepaart mit Aktionismus: Diesen Eindruck vermittelt die Europäische Union in den vergangenen Stunden und Tagen im Zusammenhang mit der Eskalation des Konflikts im Nahen Osten.

Da kam es zwar zu einer hektisch einberufenen Dringlichkeitssitzung der Außenminister der Union in Luxemburg und zu einer hehren Erklärung von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Sie war fast wortgleich mit jener Stellungnahme, die bereits beim EU-Gipfel in Barcelona Mitte März verabschiedet worden ist.

Schon damals wurde mit scharfen Worten die Eskalation der Gewalt verurteilt und an die diversen Resolutionen der UNO erinnert, in der zur sofortigen Einstellung aller Terrorakte sowie zu einem Waffenstillstand aufgerufen wird. Jetzt ist noch die jüngste Resolution dazugekommen, in der Israel zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufgefordert wird und in der für den eingeschlossenen Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat Bewegungsfreiheit verlangt wird.

Die vielen Worte haben aber wenig Wirkungen gezeigt. Seit dem EU-Gipfel in Barcelona hat sich die Spirale der Gewalt im Nahen Osten weitergedreht. Es steht zu befürchten, dass auch die jüngsten Vermittlungsbemühungen der Union wenig ausrichten werden. Eher ist damit zu rechnen, dass auch der neue Anlauf mangels geeigneter Ansprechpartner scheitert, womit der Reise der hochrangigen EU-Delegation in die Krisenregion letztendlich nur hilfloser Signalcharakter zukommen dürfte.

Dies gilt speziell für den Fall, dass es der EU nicht gelingt, die USA zu einer konsequenteren Vorgangsweise im Nahen Osten zu bewegen. Das bedeutet natürlich in erster Linie, dass die USA den Druck auf Israel erhöhen. Denn in Brüssel ist man sich durchaus bewusst, dass der eigene Einfluss auf Israel in der derzeitigen Konstellation ziemlich gering ist. Dies hat sich nicht zuletzt am Donnerstag wieder gezeigt. Israel verweigerte sich schlicht der EU-Delegation. Ohne Washington geht also nichts im Nahen Osten, und daher setzt die Europäische Union auf den für kommende Woche geplanten Besuch von US-Außenminister Colin Powell in Deutschland und Spanien.

Die Hoffnungen werden nicht zuletzt durch die ungewohnt selbstkritische Äußerung Powells zur Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten genährt. Es bleibt abzuwarten, ob sie auch handfeste politische Konsequenzen haben werden.

Wobei nicht zu übersehen ist, dass gerade diese Strategie der Gesprächsverweigerung bei den Europäern einen immer deutlicheren Haltungsumschwung bewirkt. Die Haltung der Europäer skizzierte nicht zuletzt Javier Solana bei der Dringlichkeitssitzung der Außenminister in der Nacht auf Donnerstag. Der Hohe Repräsentant der EU sprach erstmals davon, dass es im Nahen Osten nicht mehr um den Kampf gegen Terrorismus gehe, sondern um die Ausrottung der Palästinenser.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon versperrt durch seine Vorgangsweise gegenüber PLO-Chef Arafat alle Wege des Friedens und bricht gleichzeitig auch das Sicherheitsversprechen gegenüber den eigenen Bürgern.

Mag sein, dass er mit seiner zynischen Kalkulation gewisse kurzfristige Erfolge erzielt. Langfristig aber ist diese Strategie nicht geeignet, den palästinensischen Selbstmordterrorismus auszulöschen, sondern er vermehrt sich.

Gleichzeitig macht der Verbleib von Außenminister Shimon Peres in Sharons Regierung jede politische Alternative unmöglich, und die palästinensische Autonomiebehörde ist weit davon entfernt, ein demokratisches System zu sein.

Angesichts dieser Ausweglosigkeit ist es klar, dass man sich in der Union an jeden Strohhalm klammert, selbst wenn er mit eigenem Gesichtsverlust verbunden ist. Denn eines ist klar: Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten hat auf die Länder der Union eine unmittelbare Wirkung. (DER STANDARD,Print-Ausgabe,05.04.2002)