Der Aufruf von US-Präsident George Bush, Israel solle "mit dem Rückzug beginnen", hat zunächst den umgekehrten Effekt - alle Kommentatoren waren sich darin einig, dass die "Operation Schutzwall" noch intensiver als bisher bis zum letztmöglichen Moment, also bis zur Landung von Außenminister Colin Powell, weiterlaufen würde. "Wir setzen unsere Arbeit im Gelände, die Aktion, die wir begonnen haben, fort", sagte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer gestern klipp und klar.Erste Vorbereitungen für Powells neuen Anlauf wurden dadurch ermöglicht, dass Anthony Zinni plötzlich gewährt wurde, was Israels Premier Ariel Sharon kurz zuvor einer hochrangigen EU-Delegation glatt abgeschlagen hatte. Der US-Vermittler konnte gestern den Ring der "Isolation" um Yassir Arafat durchbrechen, den Palästinenserchef in Ramallah besuchen. Ein Konvoi kugelsicherer Fahrzeuge, in dem internationale Journalisten anrollten, wurde von israelischen Soldaten mit Schreckgranaten gestoppt und zum Umkehren gezwungen. Zinni brachte von den Israelis angeblich die ultimative Forderung mit, dass die Mörder des israelischen Tourismusministers und andere gesuchte Palästinenser, die sich in Arafats Umfeld verbergen sollen, ausgeliefert werden müssten. Unverändert gespannt blieb die Lage indessen um die Geburtskirche in Bethlehem, wo palästinensische Milizionäre, deren Zahl auf bis zu 250 geschätzt wird, schon den vierten Tag verschanzt blieben - die israelische Armee gab Videomaterial frei, auf dem bewaffnete Palästinenser zu sehen sind, die über den Krippenplatz auf die Kirche zustürmen. Mit eingeschlossen waren rund 60 christliche Geistliche, die nach israelischen Angaben von den Palästinensern als "Geiseln" gehalten werden. Koalitionsausbau Trotz der Krise findet Sharon Zeit, an der Erweiterung seiner Koalition zu arbeiten - sehr zum Missfallen der Arbeiterpartei ist der Ausbau nach rechts so gut wie fix, nachdem der Premier sich mit der "National-Religiösen Partei" geeinigt hat, mit weiteren Fraktionen sind Gespräche in Gang. Unter der Bevölkerung ist Sharons Popularität sprunghaft angestiegen - einer Umfrage zufolge befürworten 72 Prozent den "Krieg" im Westjordanland, 36 sind dafür, dass Arafat "ausgewiesen" wird, weitere 23 wollen ihn sogar "eliminiert" sehen.