Die Gesundheitsversorgung war schon bei früheren Regierungen nur für ganz Arme "gratis". Zu den Gebühren kommen weitere Selbstbehalte - etwa bei Heilbehelfen. Damit beträgt der Anteil der Eigenleistungen von Patienten (ohne Versicherungsbeiträge) ein Zehntel der Kasseneinnahmen.

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Defizit:

Das Defizit der Krankenkassen machte im Vorjahr 155 Millionen Euro oder 2,13 Mrd. Schilling aus, für heuer ist weiteres "Negativwachstum" prognostiziert. Allerdings hat die Regierung den Kassen Geld "weggenommen": Sie müssen mehr als bisher für die Spitäler bezahlen, die Mehrwertsteuer für Medikamente wurde vom Staat nicht mehr zur Gänze abgegolten und der Arbeitgeberbeitrag bei den Arbeitern gesenkt. Ein Einnahmenplus brachte die Abschaffung der Mitversicherung von Ehegatten ohne Kinderbetreuungspflichten. Das wog die höheren Ausgaben aber nicht auf.

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Rationierung:

Nicht nur in Österreich geht das Gespenst von der "Rationierung" bei Gesundheitsleistungen um. Ein Blick in die einzige Kasse, die "schwarze Zahlen" aufweist - die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse -, zeigt, was das bedeuten könnte: Ärzte, die zu viele Medikamente verschreiben, erleiden Honorareinbußen und müssen sich für überdurchschnittlich hohe Behandlungskosten rechtfertigen. Sparsame werden belohnt.

Im internationalen Vergleich schnitt Österreichs Gesundheitssystem bei Kostengünstigkeit und Effizienz immer gut ab. Heimische Experten meinen aber, dass Gutsituierte beim Leistungseinfordern erfolgreicher sind als sozial schlechter Gestellte.

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Gründe für die Kostenexplosion:

Wie alle anderen Industrieländer kämpft Österreich mit wachsenden Kosten, die sich aus Überalterung, höheren Ansprüchen ans Gesundheitswesen und Fortschritte im Diagnostik- und Therapiebereich ergeben.

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Spitzenklasse und Nachholbedarf:

Österreich ist in einigen Bereichen Weltspitze: etwa bei Transplantationen, bei der Behandlung von Kinderkrebs sowie der Notfallmedizin. Unterversorgung herrscht bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie, bei ambulanter Krebstherapie sowie Neurorehabilitation. Die Facharztdichte in ländlichen Regionen ist zu gering, außerdem fehlt ein Gesamtvertrag für Psychotherapie.

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Selbstbehalte:

Kranke zahlen derzeit 4,14 Euro Rezeptgebühr, 3,63 Euro für den Krankenschein, seit einem Jahr kostet der Ambulanzbesuch 10,9 Euro mit und 18,17 ohne Überweisungsschein, außerdem gibt es Tagsätze für Kuren und Krankenhaus sowie Selbstbehalte bei Heilbehelfen und Psychotherapie. Zahlreiche Zahnbehandlungen sind selbst zu zahlen. Selbstständige und Beamte haben überhaupt einen zwanzigprozentigen Selbstbehalt in ihrer Krankenversicherung für den Arztbesuch.

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Gespart wurde

bei Medikamenten - dem zuletzt am stärksten wachsenden Bereich. Verkaufsspannen wurden gedrückt. Außerdem wird der Einsatz von Generika (billige Nachahmerprodukte, die nach Ablauf der Schutzfrist für das Patent herauskommen) propagiert. Das SV-Projekt "Arznei und Vernunft" soll helfen, dass nicht zu viel verschrieben wird. Patienten werden auch auf Lebensstiländerungen (sprich: abnehmen statt Medikamente nehmen) aufmerksam gemacht.

In den letzten Jahren wurden Spitäler geschlossen. Zur Debatte steht gerade die Semmelweis-Klinik. Aus Spargründen wurde auch beispielsweise die fertig gebaute Dialysestation in Mödling nicht in Betrieb genommen. Niederösterreichische Patienten müssen - teils zu Nachtzeiten - nach Wien pendeln.

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Reformüberlegungen:

Gesundheitsstaatssekretär Reinhard Waneck (FP) hat laut, aber nur kurz über eine zweckgebundene Tabaksteuer nachgedacht, doch die Re- gierung ist auf Steuersenkung eingeschworen. Die früheren "roten" Sozialversicherungs-funktionäre (Hans Sallmut- ter) sowie die Ärztekammer wollen eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge (derzeitiger Dienstgeberbeitrag für Angestellte: 3,50 Prozent, Dienstnehmer: 3,40 vom Bruttolohn). Doch das wird von der Regierung ebenfalls abgelehnt, genauso wie eine höhere Höchstbeitragsgrundlage (3270 Euro). Experten wie der Sozialforscher Bernd Marin oder der Gesundheitsökonom Christian Köck treten für klarere Selbstbehalte im ASVG-Bereich ähnlich wie bei den Beamten ein. Chronisch Kranke und Arme müssten ausgenommen werden. Dagegen ist nicht nur die Opposition, sondern auch VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger. Weiter bei der Verwaltung sowie bei Medikamenten sparen will die neu gewählte Hauptverbandsspitze. Ob das aber ausreichen wird, steht in den Sternen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.4.2002)