Zeit
Die Bibel liegt oft falsch
Das zeigen die Befunde verschiedener Forschungen - "König Salomo" war allenfalls ein Lokalfürst
Hamburg - "Und die Bibel hat doch recht" ist der Titel
eines Buchs, das im ersten Jahrzehnt nach seinem Erscheinen 1955 in
mehr als vier Millionen Exemplaren verbreitet und in 17 Sprachen
übersetzt wurde. Seitdem hat sich zunehmend gezeigt, dass die Bibel
zwar als religiöses Zeugnis durchaus recht haben mag, doch entgegen
der Zentralthese von Werner Kellers Buch historisch häufig nicht. Das
zeigen vor allem Befunde von Archäologen, aber auch Historikern und
Bibelwissenschaftern.Zweifel am historischen Rang Salomos
Unter ihnen ist der Professor für Altes Testament und Biblische
Archäologie Hermann Michael Niemann. Er ist an Ausgrabungen der
bedeutenden kanaanäischen Stadt Megiddo beteiligt, einem der weltweit
beachteten archäologischen Forschungsprojekte in Israel. Die Befunde
im Grabungsareal seines Teams bekräftigen die bestehenden erheblichen
Zweifel am historischen Rang Salomos, der laut Bibel im 10.
Jahrhundert vor Christus Herrscher über ein sich von Ägypten bis
Mesopotamien erstreckendes Reich war.
Der König wird in den ihm gewidmeten Kapiteln des 1. Buchs der
Könige zwei Mal mit Megiddo in Verbindung gebracht. Schon früher hier
entdeckte Reste eines Palastes sind verschiedentlich der Zeit Salomos
oder sogar ihm selbst zugeordnet worden. Doch hat sich nun gezeigt,
dass sie aus der Zeit des späteren Königs Ahab stammen.
Salomo ein Lokalfürst?
Es bleibt also dabei, dass trotz intensiver Forschung in Palästina
bzw. Israel und den umgebenden Ländern kein einziges außerbiblisches
Schriftzeugnis, kein einziges Artefakt, kein ausgegrabenes Bauwerk
existiert, das überhaupt die Existenz Salomos bezeugt. Alles scheint
laut Niemann darauf hinzudeuten, dass Salomo allenfalls ein
ambitionierter Lokalfürst in dem damals noch völlig unbedeutenden,
maximal 2.000 Bewohner zählenden Jerusalem war.
Reine Erfindung der Bibelautoren ist jedenfalls der detailreich
geschilderte dortige Besuch einer nicht namentlich genannten Königin
von Saba. Zwar hat es in dem auf der arabischen Halbinsel gelegenen
Reich Saba vier Königinnen gegeben, doch erst im 8. und 7.
Jahrhundert vor Christus.
"Rückschauende Aufarbeitung"
Gerade jenes "Gipfeltreffen" Israel/Saba erscheint dem Professor
wichtig für das Verständnis biblischer Berichte über jene Zeit. Er
verweist auf den grundlegenden Unterschied zwischen "story" und
"history". Und dass die meisten Bibeltexte erst nach Mitte des 8.
Jahrhunderts zu wachsen begannen und ihre Bearbeitung und Endfassung
in die Zeit des Exils in Babylon (6. Jahrhundert) gehören. Was über
Salomo, seinen Vorgänger David und die späteren Könige Israels und
Judas berichtet wird, ist für ihn "eine rückschauende
theologisch-religiöse Aufarbeitung der Vergangenheit, nachdem diese
Staaten unter die Oberherrschaft Assyriens und dann Babylons geraten
waren - und untergingen".
Bei dieser Aufarbeitung mag man auch die Bedeutung Salomos
überzeichnet haben. "Wenn die biblischen Autoren das Bild des
vorbildlichen Ahnen-Königs mit dem reichen Saba in Verbindung
bringen, dessen Königin ihn bewundernd aufsucht und so seine Größe,
Weisheit, Berühmtheit und Macht bestätigt, wer wollte da von
historischer Fälschung oder Lüge sprechen", sagte Niemann. "Was die
fiktive theologische Erzählung auslöst, ist in seinen Auswirkungen
nämlich real: Tröstung in kritischer Situation, Ermutigung,
Vorbildwirkung, ethische und religiöse Orientierung."
Die Eroberung Kanaans
Entsprechendes macht der Professor für die Berichte des Buches
Josua über eine Eroberung Kanaans durch die Israeliten nach ihrem
Auszug aus Ägypten etwa 200 Jahre vor Salomo geltend: Eine
erzählerische Bewältigung des Schmerzes über den Verlust des eigenen
Landes, das sie einst unter Mühen und mit Gottes Hilfe für sich
gewannen. Eine Bewältigung, die auch mit der Hoffnung verbunden ist,
diese Heimat einmal wiederzugewinnen.
Der Ägyptologe Rolf Krauss (Humboldt-Universität Berlin) hat sich
dieser Tage in einem Vortrag mit dem Titel "Hat die Bibel wirklich
recht?" auch diesem Komplex gewidmet. Ein besonders spektakuläres
Beispiel ist der Bericht über die Einnahme von Jericho. Hier haben
Archäologen intensiv geforscht mit dem Ergebnis, dass auf dem Hügel
der lange Zeit bedeutenden und stark befestigten Stadt zu jener Zeit
keine Menschen lebten. Die damals angeblich zusammengestürzten Mauern
lagen schon lange in Trümmern.
15 Jahre hat der israelische Archäologe Yohanan Aharoni gesucht,
um die Städte zu finden, welche die Israeliten bei ihrem Eindringen
in den Süden Kanaans von der Oase Kadesch aus zerstört haben sollen.
Ergebnis: Es hat in jener Zeit hier keine Städte gegeben.
(APA/dpa)