Das neue Buch "Unsere Klestils" verspricht Skandalöses und vor allem Schmuddelig-Privates aus dem Leben des First Couple. Und liefert der journalistischen Peepshow genügend Stoff, die "schlimmen Lügen" genüsslich breitzutreten - wie sonst soll man sie denn widerlegen? Ja, sicher, es gäbe wichtigere Themen als die Seitenblicke auf den "Ersatzkaiser der Republik", wie Präsidentenspezialist Manfried Welan den Bundespräsidenten nennt, die Steuerreform etwa, die Wehrmachtsausstellung vielleicht oder auch das Sozialstaat-Volksbegehren - aber alle sind so sachlich-trocken-ernst und viel weniger sexy als der Blick durchs Schlüsselloch.
Bundespräsident Thomas Klestil ist trotzdem "not amused" über die Majestätsbeleidigung und will den Buchautor, der ihn schon einmal durch den Kakao gezogen hat, klagen. Sicher, Schmuddelgeschichten wie die über eine angebliche Abtreibung gehen weit über die Grenze hinaus, an der das Private noch politisch ist. Bloß: Klestil selbst hat die Grenzsteine einst verlagert. Die klebrig-kitschig-heile Familienwelt als Wahlkampfhit, die aufwühlende Trennungsstory, der Streit um den Unterhalt der Exfrau - wer bereitwillig halbintime Interviews gibt, wer Außenpolitik als Rennen mit dem Kanzler und als protokollarisches Damenduell mit der Außenministerin inszeniert, darf sich nicht wundern, wenn auch unerwünschte Details aus dem Privatleben veröffentlicht werden.
Politiker haben ein Recht auf ein Privatleben, sie tun sich auch manchmal schwer, das einer voyeuristischen Öffentlichkeit klar zu machen, können aber teilweise die Grenzen selbst definieren. Manche Ehekrise eines Spitzenpolitikers würde kaum ans Licht der Öffentlichkeit kommen - weil es vorher keine anrührenden Homestorys gab, dieser Politiker eben lieber nach seiner Politik als nach seinem Privatleben beurteilt wird und Blicke durchs Schlüsselloch verwehrt.
Abseits von Schmuddelgeschichten gibt es Teile des Privatlebens von Politikern, für die es sich lohnt, sich ernsthaft zu interessieren. Es ist wissenswert, ob etwa ein Gesundheitspolitiker privat auf öffentliche Spitäler vertraut, wie es ein Verkehrspolitiker mit Alkohol am Steuer hält, wie ein Arbeitnehmervertreter wohnt und so weiter - weil solche Beispiele Widersprüche zwischen Reden und Handeln aufzeigen können. So schlüpfrig-aufregend wie Peepshows sind solche Privatgeschichten allerdings nicht. Dafür politisch relevanter. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 6./7. 4.2002)