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Erst war von einem "Kriegsgipfel" gegen Saddam Hussein die Rede, jetzt soll es vor allem ums Feuerlöschen im Nahen Osten gehen. Wenn Tony Blair am heutigen Samstag auf der Ranch von US-Präsident George W. Bush in Texas eintrifft, steht der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern im Vordergrund.

Lange ist der britische Premier das Thema Nahost mit fast schon peinlichem Schweigen übergangen. Als alarmierte Abgeordnete seiner Labour-Partei gleich nach der Osterpause im Unterhaus über die Gewaltspirale reden wollten, blockte Blair den Versuch rigoros ab: Das Parlament solle der toten Queen Mum gedenken, politische Debatten seien angesichts der Trauerstimmung fehl am Platz.

Erst als Bush seine Zuschauerrolle aufgab, fand auch sein Londoner Juniorpartner die Sprache wieder. Die Krisenregion steuere auf eine Katastrophe zu, warnte Blair am Freitag in einem Fernsehinterview. Großbritannien, mit seinen Erfahrungen in Nordirland, wolle jetzt zusammen mit den USA an einem Friedensplan arbeiten. "Wenn zwei Seiten sich so in einen Konflikt verbissen haben, dann kommen sie nicht zusammen, ohne dass eine äußere Kraft sie zusammenbringt."

Stilles Drängen statt Zeigefinger

Der Pressestab in der Downing Street suggerierte gar, erst unter Blairs Einfluss habe sich Bush entschlossen, wieder aktive Nahost-Diplomatie zu betreiben. Das stille, aber hartnäckige Drängen der Briten, zitierte der Guardian, sei letztlich erfolgreicher gewesen als der öffentlich erhobene Zeigefinger anderer europäischer Regierungschefs.

Noch vor zwei Wochen hatte das Kabinett des Inselreichs einen ganz anderen Fahrplan für die texanische Ranch-Runde im Sinn. Bush und Blair, hieß es, wollten eine Militäraktion gegen den Irak durchsprechen. Blair, der mitreißende Redner, der geschliffene Oxford-Absolvent, schickte sich an, Bush wie schon vor der Attacke gegen Afghanistan als eine Art Pressesprecher die Stichworte zu geben.

Um einen schnellen Schlag gegen Bagdad zu begründen, ließ er Geheimdienstexperten und Generäle ein Dossier über Saddams Massenvernichtungswaffen verfassen. Das Papier, angeblich sehr detailliert, ist seit zwei Wochen fertig, bleibt aber vorerst in der Schublade. Angesichts der nahöstlichen Gewaltspirale, glauben Blairs Berater, sei die Zeit für einen Feldzug gegen das Zweistromland nicht reif. "Die Botschaft ist: Lasst uns den Irak eine Weile auf Eis legen. Schauen wir zuerst einmal, was wir in der israelisch-palästinensischen Krise tun können", meint Steven Simon, Vizedirektor des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London.

Auch innenpolitische Zwänge schränken den Spielraum der Labour-Regierung ein. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Mori zufolge lehnen 56 Prozent der Briten einen Militärschlag gegen Bagdad ab. 34 Prozent sind dafür, die Übrigen unentschieden. Vielen schlägt Blairs Vasallentreue zu Washington auf den Magen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 6./7. 4.2002)