Innsbruck/Wien - Das Ziel: eine einfachere, schonendere und zugleich wirksamere Betreuung der rund 5.000 Frauen, bei denen in Österreich jährlich Brustkrebs diagnostiziert werden muss: In Innsbruck wurden von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) die neuesten Leitlinien für die Prävention, Früherkennung und Therapie beschlossen. Die wichtigsten Neuerungen: Bei immer mehr Patientinnen kann auf eine Entfernung aller Lymphdrüsen in der Achselgegend verzichtet werden. Eine zusätzliche Strahlentherapie verbessert die Überlebenschancen. Die Empfehlungen eine Hormon bzw. Chemotherapie nach der Operation werden einfacher. "Wir haben die bisher geltenden Richtlinien für die Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung des Mammakarzinoms modernisiert und an die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse angepasst. Grundsätzlich geht der Trend dahin, dass sich die Brustkrebstherapie an Abteilungen konzentriert, die sich schwerpunktmäßig damit befassen. Das müssen nicht Universitätskliniken sein. Solche Abteilungen gibt es zum Beispiel auch in Güssing im Burgenland oder in Schwarzach St. Veit (Salzburg). Wichtig ist, dass Radiologen, Operateur, Strahlentherapeut, Gynäkologe und Onkologe gemeinsam arbeiten", erklärte der Organisator bei den Arbeiten für die neuen Leitlinien, der Wiener Spezialist und Präsident der Österreichischen Krebshilfe, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. Ganz wichtig: die Vorbeugung von Brustkrebs. Die wichtigsten Erkenntnisse laut dem neuen Expertenpapier:
  • Regelmäßige Bewegung: Sport, körperliche Arbeit, jede Bewegung (auch Gehen) senken das Brustkrebsrisiko um bis zu 60 Prozent.

  • Gewichtskontrolle: Eine starke Gewichtszunahme nach der Jugend erhöht deutlich das Brustkrebsrisiko.

  • Wenig Alkohol: Täglicher Alkoholkonsum erhöht in Abhängigkeit von der Menge das Brustkrebsrisiko.

  • Hormonersatztherapie nach der Menopause: Eine Hormonersubstitution von mehr als zehn Jahren führt zu einem erhöhten Brustkrebserkrankungsrisiko.

  • Epidemiologie: Früher Beginn der Menstruation und eine späte Menopause verursachen ein erhöhtes Mammakarzinom-Risiko. Andererseits verringern Schwangerschaften und Stillperioden die Gefährdung.

    Entscheidend für die Verringerung der Todesfälle durch Brustkrebs - im Jahr sterben immer noch rund 1.600 Österreicherinnen an der Krankheit - wäre aber eine möglichst frühe Entdeckung solcher Karzinome. "Würden 85 Prozent der Frauen regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchungen gehen, könnte man die Zahl der Todesfälle um 500 reduzieren", sagte Sevelda.

    Die gültigen Empfehlungen der 16 österreichischen Experten:

  • Mammographie: Zwischen dem 40. und dem 70. Lebensjahr ist die Mammographie als Brustkrebsvorsorgeuntersuchung in zumindest zweijährigem Abstand der Standard. Nach dem 70. Lebensjahr ist kein statistisch signifikanter Nutzen für die Frau nachweisbar.

  • Brustselbstuntersuchung durch die Frau: Empfohlen wird die monatliche Durchführung ab dem 20. Lebensjahr unmittelbar nach der Menstruation.

  • Brusttastuntersuchung durch den Arzt: Als Leitlinie gilt die jährliche Durchführung ab dem 20. Lebensjahr.

    Wächter-Lymphknoten erspart größeren Eingriff

    Für die optimale Form der Diagnosestellung ist auch ein genormtes Vorgehen durch die Ärzte wichtig. So sollen laut den neuen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) die Radiologen, welche die Mammographien durchführen, ihre Befunde nach den so genannten BI-RADS-Kriterien klassifizieren. Das ist eine Klassifizierung nach fünf Kategorien von "negativ" bis zum hochgradigen Mammakarzinom-Verdacht. Der Wiener Experte Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda: "Bei Kategorie vier und fünf muss eine Gewebeprobe zur genauen Untersuchung durchgeführt werden."

    Für immer mehr Frauen wird eine allfällige Brustkrebsoperation auch weniger belastend. Kann nämlich bei dem Eingriff der dem wirklich nächst gelegene Lymphknoten entdeckt werden und ist dieser frei von Krebszellen, kann auf das "Ausräumen" der Lymphknoten in der Achsel verzichtet werden. Der Wiener Gynäkologe, auch Chef der entsprechenden Abteilung am Krankenhaus Lainz: "In Österreich hat man damit schon Erfahrungen bei mehr als 2.000 Patientinnen. Das ist schon als Standard etabliert."

    Allerdings, Spitalsabteilungen, die auf diese neue Strategie einsteigen wollen, müssen laut den Empfehlungen der Experten, zunächst eine rigorose Qualitätskontrolle durchführen: Sie müssen bei den ersten 50 Patientinnen zunächst den "Wächter-Lymphknoten" entfernen und untersuchen, ebenso aber auch die übrigen Lymphknoten. Stimmt das erzielte Ergebnis bei der Untersuchung des dem Tumor nächst gelegenen Lymphknotens mit dem Resultat der Tests an den übrigen Lymphknoten zu 95 Prozent überein, kann die Strategie weiter angewandt werden. Sie wird aber nur für einen Teil der Patientinnen empfohlen.

    Brust-erhaltende Operation angestrebt

    Prinzipiell ist in allen Fällen, in denen das möglich ist, eine Brust-erhaltende Operation anzustreben. Einfacher werden die Empfehlungen für eine nachfolgende Chemo- und/oder Hormontherapie. Nur wenn kein Lymphknoten befallen ist, der Tumor nicht größer als zwei Zentimeter und nicht all zu bösartig ist sowie die Betroffene älter als 35 Jahre ist und der Tumor in seinem Wachstum von Hormonen (Östrogen) beeinflusst wird (Hormonrezeptor-positiver Tumor), kann auf eine zusätzliche medikamentöse Therapie verzichtet werden (oder die Frauen erhalten das Antiöstrogen Tamoxifen).

    Sevelda: "Alle anderen Brustkrebspatientinnen sollten bei einem Hormonrezeptoren-positiven Tumor eine hormonelle Therapie nach der Operation bekommen, eventuell auch eine Chemotherapie. Die Frauen mit einem Hormonrezeptor-negativen Befund profitieren von einer Chemotherapie."

    Nach der Operation sollten die Frauen laut den Leitlinien der österreichischen Experten aber auch eine Strahlentherapie bekommen. Der Wiener Gynäkologe: "Es hat sich gezeigt, dass eine Strahlentherapie nicht nur die Häufigkeit des Wiederauftretens eines Mammakarzinoms verringert, sondern auch die Überlebenszeit der Patientinnen verlängert. Bei einer brusterhaltenden Operation ist die nachfolgende Strahlentherapie der Standard." Doch auch nach einer radikalen Operation - vor allem wenn sich herausstellt, dass auch mehr als drei Lymphknoten von den Tumorzellen befallen waren - sollte eine solche Nachbehandlung erfolgen. (APA)