Wien - Als "verfassungsrechtlich erheblich fragwürdig" schätzt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer den Plan von Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) ein, Standorte von Bezirksgerichten per Bundesgesetz zusammenzulegen. Es sei damit zu rechnen, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) diese bundesgesetzlichen Regelungen aufhebt, wenn der Gerichtshof bei seiner in einem Erkenntnis aus 1969 vertretenen Linie bleibt, stellt Mayer in einem Gutachten für den SPÖ-Klub fest. Am Mittwoch beschäftigt sich der "Kleine Untersuchungsausschuss" mit den Bezirksgerichts-Schließungen, der Minister soll dazu befragt werden. Böhmdorfers Ziel ist, die Gerichtsstandorte zu reduzieren. Für die Zusammenlegung von Bezirksgerichten ist nach dem Verfassungs-Überleitungsgesetz aus 1920 (ÜG 1920) die Zustimmung der Länder nötig. Im Par. 8 Abs. 5 lit d steht, dass "Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte durch Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung der Landesregierung verfügt" werden. Da in Salzburg und Oberösterreich die Landesregierung nicht zustimmte - die SPÖ legte sich quer -, verfiel man im Justizministerium darauf, per Bundesgesetz "nur" die Standorte der Bezirksgerichte zusammenzulegen, aber die Sprengel zu belassen. Dafür sei, hieß es, die Zustimmung der Länder nicht nötig. Dies bezweifelt Mayer in seiner Stellungnahme - unter Berufung auf ein Kompetenzfeststellungserkenntnis des VfGH aus dem Jahr 1969. Darin zeige sich, dass der VfGH den Anwendungsbereich der Bestimmung weit verstehe. "Sinn und Zweck" der Regelung ist laut dem Erkenntnis, "die bestehende territoriale Verfassung der Bezirksgerichte aufrechtzuerhalten und Veränderungen nur nach Maßgabe der Übergangsvorschriften zu gestalten". Die von Böhmdorfer gewählte Vorgangsweise über Bundesgesetz diene "in Wahrheit dazu, die Anordnung des Par. 8 Abs. 5 lit d letzter ÜG 1920 zu unterlaufen und 'praktisch unwirksam' zu machen", meint der Verfassungsjurist. Schließlich könne die Verlegung des Sitzes eines BG an den eines anderen "wohl kaum anders als 'Zusammenlegung' von Bezirksgerichten verstanden werden". Es könne nämlich, so Mayer, kein Zweifel daran bestehen, dass der Sitz eines Bezirksgerichtes zu dessen "territorialer Verfassung" gehöre. Aus der Erkenntnis-Begründung scheine hervorzugehen, dass "der VfGH auch eine Sitzänderung als 'Änderung des Gerichtssprengels' in einer weiteren Auslegung dieser Wortfolge versteht. Folgt man dem, wäre die hier zu beurteilende Sitzverlegung durch einfaches BG verfassungswidrig." Mayer führt noch ein weiteres Argument an: Der Sinn der Zustimmungsbefugnis der Länder sei, dass sie bei der Gerichtsorganisation auf unterer Ebene dort mitwirken können, wo es um die Erreichbarkeit eines BG für die Bürger geht. Die Erreichbarkeit könne aber durch Verlegung eines BG-Sitzes empfindlich verschlechtert werde. (APA)