Wien - Christian Suchy kommt dort her, wo "die Hunde mit dem Arsch bellen". Pardon, aber so muss es heißen, wenn der in Trautmannsdorf an der Leitha geborene Theatermacher es auf den Punkt bringen will. Und das will er ganz kräftig, am liebsten im "ostösterreichischen" Dialekt, denn dieser markiert jene von ihm immer wieder erforschte Mentalitätswelt, die in Suchys neuestem Programm im Untertitel gleich "Heimat" heißt.

In jenem Ort an der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze trug der einmal kleine, mit Steirerhut kurzfristig zum Einheimischen gekrönte Suchy tote Vogelköpfe in den Hosentaschen und bat die Mutter, eine Friseursgattin, um das Annähen von Zusatztaschen, weil es doch so viele Dinge gibt. Auch heute hat der zum Kraftlackl ausgewachsene 39-Jährige stets ein an Sortiment streng gehüteten Bedarfsgegenständen dabei. Wer seine Produktion Pudel und Pinguin (1998) gesehen hat, weiß, welches Ausmaß die Ding-Versessenheit auf der Bühne annehmen kann. "Irgendwann weißt du, wie die Birne dich anschaut, wie sie spricht, wie sie atmet", sagt Suchy in Bezug auf seine Hamlet-Erörterung aus inmitten (m)einer stille (1997).

Dabei ist seine Arbeit ausgesprochen physisch motiviert. Der ausgebildete Tänzer (er unterrichtet am Konservatorium der Stadt Wien) nennt Sprache die Konsequenz von Bewegung. Deshalb ist der Dialekt auch die "physischste Hochsprache", in der alles das zum Ausdruck kommt, was der geregelte Duktus nicht imstande ist zu vermitteln. Bei Suchy heißt das "Ausdaworten" im Sinne von Nestroy, Qualtinger und - einst auch André Heller.

Diese Sprache zieht Suchy an, sie ist die Fährte in der Heimatsuche, die er anhand seiner skurrilen Herren-Figuren bisher stückweise auslotete. Im neuen Programm Dackel, Taube, Kellerassel - eine Kreation mit dem bewährten Team Norman A. Taylor (Regie) und Eric Amelin (Dramaturgie) - lässt er sie erstmals aufeinander los: Rechnitzer, Junak und Co., jeweils ganz große Eigensinnige.

Wenn die Kellerwand niederrattert und sie heute Abend erstmals einander gegenüberstehen, wird eklatant, was Suchy schon die längste Zeit Kopfzerbrechen bereitet: Die menschliche DNS unterscheidet sich von der des Schimpansen um nicht mehr als 1,6 Prozent. Gruß von Tante Jolesch. Hier beginnt Suchys Arbeit: Menschensuche am Weg der Sprachverkörperung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 09.04. 2002)