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Viktor Orban.

foto: apa/soos
Budapest - Die Hauptstadt Budapest wählte rot. 44,6 Prozent der Stimmen gingen an die Sozialisten, 9,5 Prozent an die Freidemokraten, nur 31,3 Prozent an Orbáns Jungdemokraten. Orbán kassierte für seine Anti-Hauptstadt-Politik - Streichung des bereits beschlossenen Baus einer vierten U-Bahn-Linie, Ernennung eines borniert-eifernden MIÉP-Mannes zum Chef des Budapester Verwaltungsamtes - die Rechnung. In Miskolc, der zweitgrößten Stadt, lag wie in vielen Industriezentren die MSZP klar vor der Fidesz. Debrecen, das geistige Zentrum des Kalvinismus, sah die Jungdemokraten vorne, deren klerikales Engagement dort gut verfing. Pécs (dt. Fünfkirchen) wurde wiederum zur sozialistischen Domäne. Unter dem populären Bürgermeister László Toller (MSZP) wurde die Stadt bei der Vergabe von Förderungen konsequent übergangen. Auch in der westungarischen Stadt Györ lagen die Sozialisten vorn, während das traditionell katholisch geprägte Umland fest in Fidesz-Hand blieb, ebenso wie die Grenzstadt Sopron. Die regionale Schichtung der Wählerpräferenzen erlaubt den Rückschluss, dass die soziale Klassenzugehörigkeit eine derart markante Rolle spielte wie vielleicht noch nie zuvor bei Wahlen in Ungarn. Den Mittelschicht-Charakter seiner Familien-und Wohnbauförderungspolitik hatte Orbán auch im Wahlkampf betont. Es sollte denen gegeben werden, die produktiv sind. Dies brachte den Jungdemokraten die führende Position in den aufstrebenden westungarischen Komitaten Györ und Vas. Das dörfliche Ungarn fühlte sich offenbar durch die nationalistische Rhetorik angesprochen: daher der Fidesz-Vorsprung in einzelnen Regionen Ost- und Südungarns. Die Städte, in denen sich öffentlich Bedienstete, Freiberufler und Pensionisten zusammenballen, fühlten sich durch die Fidesz-Arroganz und das Kokettieren mit den Rechtsextremen abgestoßen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 9.4.2002)