Jerusalem/Berlin - Überschattet von den militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten hat Israel am Holocaust-Gedenktag der sechs Millionen Juden gedacht, die während des Zweiten Weltkriegs von den deutschen Nationalsozialisten ermordet wurden. Zugleich wurde eine Studie veröffentlicht, wonach die Zahl antisemitischer Übergriffe nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September und noch einmal nach Beginn der israelischen Militäraktion im Westjordanland vor knapp zwei Wochen weltweit deutlich gestiegen ist. Zum Auftakt der Gedenkfeiern fand am Montagabend ein Staatsakt in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem statt. Ministerpräsident Ariel Scharon zog in seiner Rede eine Verbindung zwischen dem Holocaust und den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern. Die Geschichte habe gezeigt, dass Juden sich verteidigen müssten, betonte er. Lesung der Namen Deportierter in Berlin Restaurants und Vergnügungsorte wurden geschlossen. Am Dienstagvormittag leiteten in ganz Israel Sirenen eine zweiminütige Schweigepause ein. Später wurden im Parlament, in Schulen sowie auf öffentlichen Plätzen die Namen von Holocaust-Opfern verlesen. Auch in Berlin wurde im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am Montagabend mit dem öffentlichen Verlesen der Namen von rund 56.000 ermordeten und deportierten Berliner Juden begonnen. Die Lesung sollte bis Dienstagnacht dauern. Zu Beginn der Veranstaltung protestierten einige Passanten gegen die Palästinenser-Politik Israels und forderten mit Zwischenrufen dazu auf, auch den palästinensischen Opfern der aktuellen Auseinandersetzung im Nahen Osten zu gedenken. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner, sprach nach den Protesten von einer Verharmlosung der Nazi-Herrschaft: "Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Das kann man nicht mit der Nazi-Herrschaft vergleichen." Nach einer Studie der Universität Tel Aviv wurden im vergangenen Jahr weltweit 228 antisemitische Gewalttaten registriert, davon 50 schwere mit Waffen. Gegenüber dem Jahr 2000 ist dies zwar eine leichte Abnahme, doch die Autoren der Untersuchung stellen fest, dass die Zahl der antisemitischen Gewalttaten nach dem 11. September vorigen Jahres vor allem in Europa gestiegen sei. Rassisums-Konferenz als Kampagne gegen Israel Für den Anstieg der antisemitischen Übergriffe nach dem 11. September machen die Autoren zum einen die Terrorangriffe in den USA sowie die zwei Tage zuvor beendete Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban verantwortlich. Die arabischen und islamischen Staaten hätten die Konferenz zu einer gut organisierten Kampagne gegen Israel genutzt, heißt es in der Studie. Eine besondere Zunahme sei in Frankreich und Großbritannien festzustellen, die einen großen muslimischen Bevölkerungsanteil hätten. Nach Angaben des Generalsekretärs des Jüdischen Weltkongresses (JWC), Avi Beker, stieg die Zahl der antisemitischen Gewalttaten nach Beginn der israelischen Militäraktion in den palästinensischen Autonomiegebieten Ende März noch einmal drastisch an. "Die vergangenen zehn Tage waren die schlimmsten antisemitischen Tage in der europäischen Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Beker. Heute könne sich kein Jude mit der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung (Kippa) mehr in den Straßen einer europäischen Stadt sicher fühlen. (APA/AP/dpa)