Beirut/Jerusalem/Madrid - Die libanesische
schiitische Hisbollah-Miliz hat am Mittwoch ihre Raketenangriffe auf
israelische Militärposten im besetzten Gebiet der so genannten
Shebaa-Farmen im Dreiländereck mit Syrien fortgesetzt. Dies wurde von
der libanesischen Polizei bestätigt. Israelische Kampfflugzeuge
hatten am Vorabend massive Luftangriffe gegen Stellungen der
Hisbollah geflogen. Die israelische Armee hat ihre Truppen an der
Nordgrenze massiv verstärkt. Aus
Sorge vor einer Ausweitung der Gewalt im Nahen Osten haben die USA
Syrien und den Iran gebeten, die Hisbollah-Angriffe zu stoppen. "Das Letzte, was wir wollen, ist eine Explosion an der Nordgrenze
(Israels) und die Eröffnung einer zweiten Front", sagte
US-Außenminister Colin Powell am Dienstagabend auf seiner Reise von
Kairo nach Madrid vor Journalisten. Washington sei sehr besorgt über
die Angriffe der Hisbollah entlang der israelischen Grenze. Der
geistliche Führer der Hisbollah-Bewegung im Libanon, Scheich Mohammed
Hussein Fadlallah, hat für den Fall eines israelischen Angriffs auf
den Libanon mit dem Abschuss von Katjuscha-Raketen auf Nordisrael
gedroht. Falls Israel den Libanon angreife, werde die Hisbollah
Katjuscha-Raketen abfeuern, die auch die nordisraelische Hafenstadt
Haifa erreichen könnten, erklärte der Geistliche am Dienstag in
Beirut. Die Hisbollah-Miliz ist nach israelischen Informationen vom
Iran mit Katjuscha-Raketen ausgestattet worden.
Der israelische Regierungschef Ariel Sharon hatte erklärt, Israel
werde auf jeden weiteren Hisbollah-Angriff "sehr hart" reagieren. Die
iranische Regierung hatte am Montag jegliche Verantwortung für
Angriffe der Miliz auf Israel zurückgewiesen. Zwar seien die Aktionen
"legitim", weil sie eine Antwort auf "zionistische Verbrechen" seien,
doch "die Positionen der Hisbollah sind unabhängig von der
Islamischen Republik Iran", sagte Vize-Außenminister Hamid-Reza
Assefi. Sharon hatte am Sonntag neuerlich den Iran und Syrien für die
Angriffe aus dem Südlibanon verantwortlich gemacht. Nach Beiruter
Presseberichten finanziert der Iran die Hisbollah mit zehn Millionen
US-Dollar monatlich.
Unterstützung von Khatami
Der iranische Präsident Mohammad Khatami hatte dem politischen
Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah wiederholt Unterstützung
zugesagt und die Miliz aufgefordert, ihre Aktivitäten zu verstärken.
Die Miliz verfügt über annähernd 7000 ständige Kämpfer, kann aber
weit mehr mobilisieren. Die Hisbollah ("Partei Gottes") wurde 1982
nach dem israelischen Einmarsch im Libanon auf Betreiben des
iranischen Revolutionsregimes von Ayatollah Khomeini gegründet, der
mehrere hundert iranische Revolutionsgardisten ("Pasdaran") mit dem
Auftrag in den Libanon schickte, den "Kampf gegen die Zionisten
aufzunehmen".
Israel will Ausweitung des Konflikts vermeiden
Ungeachtet ständiger Angriffe der
radikal-islamischen Hisbollah-Miliz auf nordisraelische Ortschaften
will Israel nach einer Entscheidung seines "Sicherheitskabinetts"
eine Ausweitung des Konflikts vermeiden. Israelische Medien berichten
am Mittwoch, die Minister hätten beschlossen, dass die Armee sich
trotz der Angriffe an der Nordgrenze zurückhalten sollte. Israel
wolle eine Eskalation und mögliche Konfrontationen mit Syrien und
Libanon vermeiden.
Die Online-Ausgabe der israelischen Zeitung "Haaretz" berichtete,
Ministerpräsident Ariel Sharon, Verteidigungsminister Benjamin
Ben-Eliezer und ranghohe Militärs hätten einen militärischen
Aktionsplan gegen die Angriffe vorgelegt. Nach Einwänden anderer
Minister, darunter Außenminister Shimon Peres, habe das
Sicherheitskabinett sich jedoch gegen den Plan entschieden. Sharon
habe während der Beratungen Kritik an den USA geäußert. Sie hätten
Syrien nicht entschieden genug zur Zügelung der pro-iranischen
Hisbollah-Miliz aufgefordert, meinte Scharon.
Die israelischen Truppen an der Nordgrenze wurden inzwischen
massiv verstärkt. In der Nacht zum Mittwoch hatte die Hisbollah
erneut zahlreiche Katjuscha-Raketen auf Ziele auf den Golan-Höhen und
das nördliche Galiläa abgefeuert. Dabei wurde ein israelischer Soldat
verletzt. Israelische Kampfflugzeuge flogen daraufhin massive
Luftangriffe gegen Stellungen der Hisbollah.
(APA/dpa)