Unternehmen
Merill Lynch in Bedrängnis
New Yorker Staatsanwaltschaft wirft dem Investmenthaus vor, Aktienempfehlungen manipuliert zu haben
New York - Die US-Investmentbank Merrill Lynch soll
nach dem Willen des US-Bundesstaates New York künftig in ihren
Analyse-Berichten Einzelheiten über mögliche Interessenskonflikte
zwischen Analysten und Investmentbankern offenlegen. Der Aktienkurs von Merrill Lynch reagierte am Dienstag kaum auf
die entsprechende Verfügung des New Yorker Staatsanwaltes Eliot
Spitzer vom Vorabend. Die Merrill-Papiere notierten im frühen
Geschäft an der Wall Street kaum verändert bei 53,46 Dollar. Merrill
wies die Vorwürfe zurück.Manipulierte Empfehlungen
Spitzer wirft Merrill vor, sich mit manipulierten
Aktienempfehlungen Honorare von Unternehmen zu sichern. Anleger seien
dabei um mehrere Millionen Dollar gebracht worden. Nach Angaben von
Justizvertretern sollen sich Merrill-Analysten in privaten E-Mails
abschätzig über Unternehmen geäußert haben, für die sie in der
Öffentlichkeit Kaufempfehlungen abgaben. In einer E-Mail, die im
Rahmen einer zehnmonatigen Untersuchung des Bundesstaates ans
Tageslicht kam, habe ein Analyst eine Internet-Aktie als "Stück
Ramsch" bezeichnet. Gleichzeitig habe er die Firma, einen großen
Merrill-Kunden, mit der höchsten Einstufung bewertet.
"Das ist ein schockierender Vertrauensbruch durch einen der
vertrauenswürdigsten Namen der Wall Street", sagte Spitzer. Nach
Angaben des Staatsanwalts soll Merrill zukünftig in seinen
Aktien-Research-Berichten unter anderem offenlegen, welche
geschäftlichen Beziehungen das Unternehmen mit der Investmentbank in
den letzten drei Jahren hatte.
Investmenthaus weist Vorwürfe zurück
Merrill Lynch wies die Vorwürfe zurück und kündigte an, sich
energisch dagegen zu wehren. Die Schlussfolgerungen des Staatsanwalts
seien "vollständig falsch", teilte Merrill in einer Stellungnahme
mit. "Wir sind empört, dass wir keine Gelegenheit hatten, die
Beschuldigungen vor Gericht zu widerlegen", hieß es.
Wie andere Investmentbanken stand Merrill bereits in der
Vergangenheit in der Kritik, mit falschen Aktienempfehlungen Anleger
in die Irre zu führen. So soll der frühere Internet-Analyst Henry
Blodget Technologie-Aktien angepriesen haben, die später an der Börse
einbrachen. Blodget verließ die Investmentbank im vergangenen Jahr.
Auch andere Banken vorgeladen
Auch andere Investmentbanken seien im Zuge einer Untersuchung über
die Research-Methoden an der Wall Street vorgeladen worden, teilten
Vertreter des Staates New York weiter mit. Gegenstand sei die Frage,
ob Analysten in ihren Empfehlungsstudien mit Unternehmen zu milde
umgegangen seien, um sie als Kunden für das Investmentgeschäft zu
werben. (APA/Reuters)