Europa
Deutschland: Wehrpflicht verfassungskonform
Entscheidung des Verfassungsgerichts von Union begrüßt - FDP und Jusos weiter für Abschaffung
Karlsruhe/Berlin - Die allgemeine Wehrpflicht in
Deutschland verstößt nach einem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVG) nicht gegen das deutsche Grundgesetz.
Eine gegenteilige Vorlage des Landgerichts Potsdam wurde vom BVG als
unzulässig abgewiesen. Das Landgericht habe nicht ausreichend
begründet, warum die Wehrpflicht verfassungswidrig sein sollte, hieß
es in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. So habe das Landgericht seine Meinung nur auf die Veränderung der
sicherheitspolitischen Lage gestützt. Es habe dabei außer Acht
gelassen, dass der Gesetzgeber die Einführung der Wehrpflicht nicht
nur von einer bestimmten sicherheitspolitischen Lage abhängig gemacht
habe, urteilten die Verfassungsrichter. Außerdem hätte das
Landgericht übersehen, dass es noch andere Gründe gebe, an der
Wehrpflicht festzuhalten, wie beispielsweise Bündnisverpflichtungen.
Während die Union den Gerichtsbeschluss begrüßte, setzten sich
Jusos und FDP trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
über die grundsätzliche Zulässigkeit der Wehrpflicht für deren
Abschaffung ein. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt erklärte am
Mittwoch: "Die Diskussion wird weitergehen." Auch Juso-Chef Niels
Annen sagte, nun müsse die Politik ihre Hausaufgaben machen. Der
Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte die Politiker auf, schnell
Klarheit über den Fortbestand der Wehrpflicht und des Zivildienstes
zu schaffen.
Komplexe Materie
Die Verfassungsrichter äußerten sich nicht zu den Möglichkeiten
einer Bundeswehrreform. Die gegenwärtige Diskussion über eine
eventuelle Abschaffung der Wehrpflicht zeige, dass es sich um eine
sehr komplexe Materie handle, heißt es in ihrem Beschluss. Der
Gesetzgeber habe in eigener Verantwortung über eine verfassungsgemäße
Reform zu entscheiden, bei der bestehende Bündnisverpflichtungen
sowie eine funktionstüchtige Verteidigung gewahrt würden.
Die Entscheidung zwischen einer Berufsarmee und der Wehrpflicht
sei eine grundlegende staatspolitische Entscheidung, die sich auf
wesentliche Bereiche des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens
auswirke, urteilten die Richter weiter. Bei einer Reform spielten
deshalb neben den verteidigungspolitischen Gesichtspunkten auch
wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte eine Rolle.
Dem Verfassungsgericht lag eine Vorlage des Landgericht Potsdam
vor. Dieses kam auf die Klage eines Totalverweigerers hin zu der
Auffassung, dass durch die geänderte sicherheitspolitische Lage die
allgemeine Wehrpflicht verfassungswidrig sei. So sei eine
Verteidigung nach dem Wegfall des Kalten Krieges und der
NATO-Osterweiterung nicht mehr wie bisher erforderlich.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Paul
Breuer (CDU) nannte den Beschluss eine Bauchlandung erster Klasse für
alle Gegner der Wehrpflicht. Diese habe sich für Deutschland bewährt
und müsse in ein neues Gesamt-Verteidigungskonzept eingebunden
werden. "Sie (die Wehrpflicht) gibt uns die entscheidende Vorsorge,
uns auf alle sicherheitspolitischen Situationen .. vorsorgend
einzustellen", sagte er in der ARD. "Sie hält die Bundeswehr in der
Mitte der Gesellschaft." (APA/Reuters/AP)