Skandal rund um den am Neuen Markt notierten Telematiknetzwerk-Anbieter ComRoad : Von den ursprünglich in der Bilanz ausgewiesenen Umsätzen in der Höhe von 93,5 Millionen Euro wurden bei einer Sonderprüfung des Wirtschaftsprüfers Rödl & Partner nur 1,3 Millionen Euro bestätigt. Das entspricht 1,4 Prozent der im Januar dieses Jahres gemeldeten Umsätze, teilte das Unternehmen heute, Mittwoch, ad hoc mit. Die Hongkonger Gesellschaft VT Electronics, über die 90,3 Millionen Euro der "erzielten" Umsätze ausgewiesenen worden waren, hat so gut wie sicher nie existiert. Damit handelt es sich wohl um den größten Betrugsfall in der Geschichte des Neuen Marktes. "Umgehende Restrukturierung" Die Fortführung der Gesellschaft soll durch eine "umgehende Restrukturierung" gesichert werden. Aufsichtsratsmitglied Ingrid Schnabel wurde bereits gestern, Dienstag, abberufen. Der ohnehin schon im Keller befindliche Aktienkurs brach in den Vormittagsstunden vollständig ein. Er sackte bis 10.20 Uhr um 47 Prozent auf 0,39 Euro ab. Vor einem Jahr hielt das Papier noch bei über 40 Euro. Im Wortlaut der Ad-hoc-Aussendung, die die Erkenntnisse des 232 Seiten umfassenden Sonderprüfungsberichtes zusammenfasst, heißt es: "Nachweise für Umsätze in Höhe von 67,1 Mio. Euro konnten nicht erbracht werden. Aufgrund fehlender bzw. nicht nachgewiesener Ansprechpartner konnten Vertragspartner, mit denen Umsatzerlöse über weitere 25,1 Millionen Euro erzielt worden sein sollen, nicht kontaktiert werden." Scheinrechnungen... Es sei zu vermuten, dass vor allem im Zusammenhang mit VT Electronics Scheinrechnungen erstellt und Eingangsrechnungen fingiert wurden, heißt es weiter. "Diese wurden dann als Umsatz, Wareneinsatz bzw. geleistete Anzahlungen im Jahresabschluss 2001 ausgewiesen. Die eingegangenen Beteiligungen und ausgereichten Darlehen wurden teils unter Außerachtlassung des Vorsichtsprinzips nicht oder nicht ausreichend besichert." Mit einem hohen Wertberichtigungsbedarf sei wegen der ertragsmäßig negativen Entwicklung und der drohenden bzw. eingetretenen Insolvenz einzelner Beteiligungsgesellschaften zu rechnen. Mögliche zukünftige finanzielle Verpflichtungen für die ComRoad könnten sich aus bestehenden Verträgen und eingegangenen Bürgschaften ergeben. Fast schon ein Krimi Der umgestaltete Vorstand will in den nächsten zwei Wochen eine Pressekonferenz geben. Der Fall ComRoad reicht inzwischen schon ins Kriminal: Nachdem Bodo Schnabel, der ehemalige Vorstandsvorsitzende und Gründer des Unternehmens, vor einem Monat vom Aufsichtsrat fristlos gekündigt worden war, wurde er Ende März vorläufig festgenommen. Grund: Kursbetrug nach Paragraph 88 des Börsengesetzes in 16 Fällen. "Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Gesellschaft" Zum ersten Mal war das Unternehmen ins Zwielicht geraten, als KPMG die Bilanzprüfung wenige Tage vor der geplanten Veröffentlichung des Jahresergebnisses im Februar abgebrochen hatte. Dies wurde mit "Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Gesellschaft" begründet. Die im Januar veröffentlichten – gefälschten – Zahlen wiesen nicht nur eine Umsatzsteigerung von 114 Prozent (Wortlaut: "Trotz der allgemeinen Investitionsrückgänge") aus, sondern auch einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 21 Mio. Euro. ComRoad ist in der Entwicklung und dem Vertrieb von weltweit einsetzbaren Verkehrstelematik-Anwendungen tätig. Die Produktfamilie (Serververbund, Betriebs- und Kommunikations-Software, Fahrzeugendgeräte) besteht nach eigenen Angaben aus einer umfassenden Telematik-Lösung, die auch Kommunikations-, Informations- und Entertainment-Anwendungen für den mobilen Einsatz integriert. Dabei werden GPS (Global Positioning System), GSM (GPRS, UMTS) und internetbasierende Informationssysteme (TCP-IP-Protokoll) miteinander verbunden. (pte)