Frankfurt - Die von großen Hoffnungen begleitete Ausschlussregel für Billigaktien am Neuen Markt droht zu scheitern. Das Oberlandesgericht Frankfurt äußerte in einer Berufungsverhandlung grundsätzliche Bedenken gegen die einseitige Regeländerung durch die Deutsche Börse AG. Aktionärsschützer werfen der Börse indes handwerkliche Mängel bei der Gestaltung des Regelwerkes vor, die letztlich dem Ansehen des krisengeschüttelten Neuen Marktes zusätzlich schadeten und Anleger noch mehr verunsicherten. Die Deutsche Börse hingegen will das Verfahren bis zum sich abzeichnenden bitteren Ende durchstehen. Vor dem OLG Frankfurt klagen derzeit in zweiter Instanz sechs Unternehmen aus dem Neuen Markt gegen ihren Ausschluss aus dem Segment. Der Vorsitzende Richter Wilfried Müller-Fuchs teilte am Dienstag bei einer Anhörung weitgehend die Argumente der Kläger. Diese werfen der Deutschen Börse vor, das Regelwerk einseitig geändert zu haben und den Firmen nicht ausreichend Zeit zu geben, um auf einen drohenden Ausschluss (Delisting) zu reagieren. Seine Entscheidung will das Gericht am 23. April bekannt gegen. Börse hält an Meinung festB

Die Deutsche Börse will die Urteilsbegründung in dem Berufungsverfahren zunächst abwarten und dann reagieren. "Wir hielten und halten unsere Regeln weiterhin für richtig", sagte Börsen-Vorstand Volker Potthoff am Mittwoch. "Wir wollen Unternehmen auch künftig davon überzeugen, dass sie nicht in den Neuen Markt gehören, wenn sie einen gewissen Bodensatz erreicht haben."

Markus Straub, stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), nannte das Verhalten der Börse hingegen eine Katastrophe. "Die Regeländerung ist in dieser Form schon lange gescheitert, doch die Deutsche Börse setzt sich mit ihrer Vogel-Strauß-Politik über die richterliche Meinung hinweg." Letztlich schade die Börse damit der Aktienkultur, statt sie zu fördern. "Die Anleger haben derzeit den Eindruck, dass es am Neuen Markt nicht seriös zugeht, weil ja ständig über Zulassungsbedingungen geklagt wird."

Änderung im Alleingang

Die Börse habe die Regeln im Alleingang geändert statt im Konsens mit den Unternehmen, außerdem habe sie zu kurze Fristen gesetzt, kritisierte Straub. "Es ist ja richtig, die Penny-Stocks aus dem Segment zu entfernen, aber bitte richtig." Jetzt sei Börsen-Chef Werner Seifert gefordert, wasserdichte Regelungen zu finden.

Unmissverständlich fällt auch die Kritik der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) aus. "Die Börse ist vom OLG abgewatscht worden", stellte DSW-Geschäftsführer Klaus Nieding in Frankfurt fest. Das Regelwerk zum Neuen Markt sei "mit heißer Nadel gestrickt" worden. "Es ist sicher nicht im Sinne der Anleger und des Anlegervertrauens, wenn es jetzt mehrere Kategorien von Unternehmen gibt, die unterschiedlichen Regeln unterliegen." Nieding forderte ein völlig neues Regelwerk, das möglichst schnell das Vertrauen der Anleger wiederherstellen solle. Möglicherweise sei die Börse als Privatunternehmen mit dieser Aufgabe überfordert. "Auch der Gesetzgeber ist gefragt, für transparente und faire Regelungen zu sorgen." Das geplante vierte Finanzmarkt-Förderungsgesetz gehe mit seinen Bestimmungen zum Anlegerschutz in die richtige Richtung, wenn auch noch nicht weit genug.

Einer der Gründungsväter des Neuen Markts, der leitende Aktienhändler Kurt Bürkin von der DZ-Bank, räumte Versäumnisse bei der Gestaltung des Segments ein. "Wir haben damals einfach nicht an Regeln für ein Delisting gedacht", sagte Bürkin, der von 1993 bis 2001 Mitglied im Fachausschuss Aktien der Deutschen Börse war. Im übrigen aber verstehe er die Aufregung um die neuen Penny-Stock-Regeln nicht. "Wir begrüßen diese Regeln und bedauern, dass sie nun offenbar nicht uneingeschränkt umgesetzt werden können." Natürlich könne über Einzelheiten debattiert werden, unstrittig sei aber die Notwendigkeit, "faule Eier" auszusortieren.(APA/Reuters)