Eine gute Woche hat die in Israel weit verbreitete Illusion gedauert, wenigstens während der Militäroffensive in den Palästinensergebieten blieben die israelischen Zivilisten von Selbstmordmassakern verschont. Kein Preis - Hunderte tote Palästinenser, ein Keil zwischen den USA und Israel, ein hoher Imageschaden in Europa, wo sich sogar die besten Freunde kritisch äußern - war Ministerpräsident Ariel Sharon für die kurze Aufrechterhaltung dieser Illusion zu hoch. Allerdings wurde er von einer enormen Zustimmung in Israel selbst getragen, die auch nicht vom schrecklichen Beweis von Mittwoch gebrochen werden wird, dass die "Sicherheitspolitik" weiter nicht funktioniert. Im Gegenteil: Nun wird man argumentieren, dass nur die Vollendung der Militäroperationen, die ja auf Wochen angelegt waren, Erfolg bringen kann.

Währenddessen bewegt sich US-Außenminister Colin Powell weiter auf das Ziel seiner Nahostreise zu und ist auch nach dem neuen Attentat bisher nicht von seinem Plan abgerückt, Palästinenserchef Yassir Arafat zu treffen. Genauso wenig traf am Mittwoch eine Rücknahme der amerikanischen Aufforderung ein, "ohne Verzögerung" die Armee aus den Palästinensergebieten abzuziehen. In Madrid versuchen USA, Russland, EU und UNO unter dem Namen "Quartett" eine neue Einigkeit zu demonstrieren, in Deutschland legt Joschka Fischer, der in seiner Jugend gegen Israel demonstrierte, als grüner Außenminister aber ein gewisses israelisches Vertrauen gewinnen konnte, ein "Ideenpapier" vor. Wenn Sharon allerdings zwischen dessen Umsetzung und der von EU-Politikern angedachten Kündigung des Assoziationsabkommens wählen müsste, würde er sich wohl leichten Herzens für die Aufgabe der Handelserleichterungen entscheiden - und schon gar nach dem jüngsten Rechtsruck seiner Regierung.

Auch nur den ersten Punkt des Plans bei dieser israelischen Regierung durchzusetzen, die nicht einmal dem harschen Rückpfiff des US-Präsidenten Folge leistet, erscheint schier unmöglich: Die "Trennung der Konfliktparteien" beinhaltet laut Papier den Rückzug Israels aus den Gebieten außerhalb der '67-Grenze inklusive Aufgabe von Siedlungen (auch wenn es nicht alle sein werden) plus palästinensischer Staatsausrufung. Und die Trennungslinie wird "auf israelischer Seite gesichert" (also keine Pufferzonen auf palästinensischem Gebiet, wie sie Sharon haben will).

Das alles läuft natürlich nicht nur der (verständlichen) israelischen Unlust entgegen, den bisher ärgsten palästinensischen Terror zu honorieren, es ist vielmehr auch mit der jahrzehntelangen israelischen Politik der Schaffung von Tatsachen zuungunsten der Palästinenser nicht zu vereinen. Gerade der Labour-Premier Ehud Barak hat ja genau in diesem Sinn nicht nur den Siedlungsausbau rasant beschleunigt, sondern auch einen laut Oslo-Vertrag fälligen Abzug nicht vollzogen, mit dem Argument, er wolle ihn in ein Endpaket inkludiert sehen: einer der vielen Schritte auf dem Weg in die jetzige Katastrophe. (DER STANDARD, Print vo, 11.04.02)